Bei der dritten Veranstaltung der Reihe Gespräche am Ehrenmal widmeten sich Experten dem Thema „Das Eiserne Kreuz – Geschichte eines militärischen Symbols und seine Bedeutung für die Erinnerungskultur der Bundeswehr“. Es wurde deutlich, welche wichtige und sinnstiftende Rolle dem Symbol trotz seiner wechselhaften Geschichte weiter zukommt.
Als am 12. November 1955 der damalige Verteidigungsminister der jungen Bundesrepublik Deutschland, Theodor Blank, den ersten 101 Freiwilligen der neuen Bundeswehr in der Bonner Ermekeil-Kaserne ihre Ernennungsurkunden überreichte, prägte ein überdimensioniertes Eisernes Kreuz die Kulisse der Veranstaltung. Ein Jahr später, am 24. September 1956, genehmigte der erste Bundespräsident Theodor Heuss das Eiserne Kreuz als Hoheitsabzeichen für Kampf- und Luftfahrzeuge der Bundeswehr.
Über die letzten Jahrzehnte etablierte es sich zum Symbol für die Bundeswehr als Ganzes. Es ziert die Spitze des Fahnenstockes von Truppenfahnen, findet sich im Ehrenzeichen der Bundeswehr für Tapferkeit wieder und ist in moderner Form das offizielle Logo der deutschen Streitkräfte.
Doch welche Bedeutung hatte einst das Eiserne Kreuz für das Soldatendasein und die Wahrnehmung in der Gesellschaft? Welchen Stellenwert hat das Symbol für die Truppe und Gesellschaft heute? Ist es überhaupt noch ein zeitgemäß für die Darstellung der Bundeswehr? Und wie verbessert man die Vermittlung seiner Bedeutung in die Truppe und Gesellschaft?
65 Jahre nachdem das Eiserne Kreuz zum Hoheitsabzeichen der Bundeswehr wurde, waren diese Fragen Thema der Gespräche am Ehrenmal. Der Unterabteilungsleiter Politik, Dominik Mutter, machte bei seiner Begrüßung deutlich, dass es bei dieser Podiumsdiskussion nicht beabsichtigt sei, das Eiserne Kreuz in Frage zu stellen:
„Es geht um die Ergründung, Erklärung und möglichst noch bessere Darstellung des Eisernen Kreuzes.“
Moderiert durch die Theologin und Kirchenhistorikerin, Prof. Dr. Angelika Dörfler-Dierken der Universität Hamburg, brachten im Anschluss der Militärhistoriker Oberst a. D. Prof. Dr. Winfried Heinemann, Generalmajor André Bodemann, Kommandeur des Zentrums für Innere Führung, der frühere Wehrbeauftragte Reinhold Robbe und der ehemalige Abgeordnete Prof. Dr. Patrick Sensburg als Vorsitzender des Verbandes der Reservisten der Bundeswehr ihre eigene Sicht auf die Bedeutung des Eisernen Kreuzes in die Diskussion ein.
Winfried Heinemann legte historisch dar, wie das Eiserne Kreuz während der Napoleonischen Kriege 1813 durch den König Preußens als soldatische Auszeichnung für Tapferkeit, Freiheitsliebe und Ritterlichkeit erstmals gestiftet wurde. Die preußischen Reformen wandelten die Rolle des einfachen Soldaten und Untertanen zu einem selbstbestimmten Staatsbürger, der sich in den Dienst des Vaterlandes stellte.
Mit Ausbruch des Deutsch-Französischen Krieges 1870 sowie mit Beginn des Ersten Weltkrieges 1914 wurde das Eiserne Kreuz jeweils erneut gestiftet – und hierdurch von einer rein preußischen zu einer gesamtdeutschen Kriegsauszeichnung. Auf dem in der Zeit des Nationalsozialismus von Hitler im Jahr 1939 gestifteten Kreuz ersetzte die Darstellung des Hakenkreuzes die bis dahin übliche Prägung mit den Initialen des Königs.
Die Wehrmacht verwendete zudem nicht das geschwungene Eiserne Kreuz in der Form eines Tatzenkreuzes, entworfen vom preußischen Architekten Karl-Friedrich Schinkel, sondern ein schlichtes Balkenkreuz als Hoheitszeichen. Deshalb taugte die reine Urform des Eisernen Kreuzes, das die Ideale der preußischen Reformer der Aufklärung, Gleichstellung und Demokratisierung verkörpere, als Identifikationszeichen für die Bundeswehr, so Heinemann weiter.
General Bodemann, bewährter Truppenführer und seit 2020 Kommandeur des Zentrums Innere Führung, steuerte vor allem den Blick der Truppe auf das Eiserne Kreuz bei. Diese brauche Symbole:
„Für uns ist dies sehr wichtig, weil es Identifikation schafft mit der Einheit oder Teileinheit und mit dem, was wir tun, und damit auch den Zusammenhalt der Truppe fördert. Je näher wir an den Einsatz rangehen, umso wichtiger sind die Symbole.“
Das Eiserne Kreuz sei ein Erkennungszeichen, mit dem die Truppe sich identifiziere. Aus Sicht der Soldatinnen und Soldaten sei es weder anrüchig noch anfechtbar. Die Truppe verbinde mit dem Eisernen Kreuz eben dessen ursprüngliche Werte: Tapferkeit, Freiheitsliebe und Ritterlichkeit.
Zudem seien die verbundenen Ideale weiterhin zeitgemäß. Dies spiegele sich unter anderem im Eid der Soldatinnen und Soldaten wieder, das Recht und die Freiheit der Bundesrepublik Deutschland tapfer zu verteidigen. Der Soldatenberuf sei ein besonderer: Angesichts der Gefährdung des eigenen Lebens oder des Lebens unterstellter Soldaten sei die Frage des ,Wozu?' und ,bis zu welcher Konsequenz?' allgegenwärtig. Dies seien die harten Kernfragen des Soldatenberufs, die sehr eng mit dem Thema Tapferkeit verbunden seien.
Reinhold Robbe brachte seine Wahrnehmung als ehemaliger Wehrbeauftragter ein: Das Eiserne Kreuz zähle bei Soldatinnen und Soldaten und im allgemeinen öffentlichen Bewusstsein zu den Selbstverständlichkeiten der Bundeswehr. Er habe keine einzige Grundsatzdebatte und keinen kritischen Diskurs über die Symbolik des Eisernen Kreuzes in der Bundeswehr erlebt.
Anders verhalte es sich jedoch mit dem Eisernen Kreuz als Soldatenorden für Tapferkeit im Gefecht. Es werde dann auch mit den Verbrechen der Wehrmacht assoziiert. Die erhobene Forderung nach Wiedereinführung des Eisernen Kreuzes als Orden für die Bundeswehr und die damit zusammenhängende Debatte habe sich mit der Stiftung des Ehrenkreuzes der Bundeswehr für Tapferkeit jedoch erübrigt. Insofern könne das Ehrenkreuz durchaus in der Traditionslinie des ehemaligen Eisernen Kreuzes vor 1933 eingereiht werden.
Bedeutsam sei ein weiterer, vielfach unbeachteter Aspekt - bis zur Nazidiktatur dienten tausende jüdische Soldaten in deutschen Armeen:
„Die Tatsache, dass jüdische Soldaten das Eiserne Kreuz mit Stolz neben dem Davidstern trugen, verleiht dem heutigen nationalen Erkennungszeichen der Bundeswehr eine Art einzigartige Patina, die stärker in den Fokus genommen werden sollte, beispielsweise im politischen und lebenskundlichen Unterricht unserer Soldatinnen und Soldaten.“
Das Eiserne Kreuz hätten ebenso zahlreiche Soldaten getragen, die aktiven Widerstand gegen den Nationalsozialismus leisteten. Daher sei diese Gruppe von Trägern des Eisernen Kreuzes für die Traditionsbildung der Bundeswehr von herausragender Bedeutung. Es sei die Aufgabe der Inneren Führung, dafür zu sorgen, die wechselvolle Geschichte des Eisernen Kreuzes offensiv und umfassend den jetzt dienenden und zukünftigen Soldatinnen und Soldaten zu vermitteln.
Prof. Dr. Patrick Sensburg, Vorsitzender des Reservistenverbandes, erläuterte aus zivilgesellschaftlicher Perspektive: Das Eiserne Kreuz bilde die Klammer zwischen aktiven und ehemaligen Angehörigen der Truppe sowie zur Zivilgesellschaft. Alle betrachteten das Symbol als das Erkennungszeichen der Bundeswehr. Jeder Uniformträger müsse die Demokratie in einer besonders starken Weise repräsentieren. Die Parlamentsarmee habe eine klare Akzentuierung auf den Sinn des Dienens – den Schutz der Bürgerinnen und Bürger des demokratischen Rechtsstaates Bundesrepublik Deutschland.
Diese Beweggründe seien wesentlich und drückten sich in diesem umklammernden Zeichen aus. Das Eiserne Kreuz ermahne zudem, immer wieder nach dem ,Wofür?' zu fragen, sowie an die Verpflichtung, sich mit der Geschichte auseinanderzusetzen. Dabei sei es sehr zukunftsgewandt, indem es die aktive Truppe mit der Reserve, den Veteranen sowie der Gesellschaft durch die gemeinsamen Werte verbinde.
Die Expertenrunden der Gespräche am Ehrenmal haben die Absicht, Fragen zur Erinnerungs- und Gedenkkultur und zum Selbstverständnis der Bundeswehr sowie Themen der Militärgeschichte und Sicherheitspolitik öffentlich zu diskutieren.
Die Gespräche am Ehrenmal sollen – auch im Sinne der Inneren Führung – einen Beitrag zur wertschätzenden und selbstkritischen Auseinandersetzung der Truppe mit der eigenen Geschichte und dem eigenen Selbstverständnis leisten und darüber hinaus als Bindeglied in die Gesellschaft wirken. Zugleich verweisen sie immer auch auf das Ehrenmal und diejenigen, derer an diesem zentralen Erinnerungsort der Bundeswehr gedacht wird.
Im Anschluss diskutierten die Teilnehmenden vorab eingereichte Fragen aus der Truppe.
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