Generalleutnant Eberhard Zorn ist seit Juli 2017 Abteilungsleiter Personal im Bundesministerium der Verteidigung in Berlin. Im Rahmen der Trendwende Personal ist das eine besonders herausfordernde Aufgabe, die zudem höchste politische Priorität hat. Denn der militärische Zielumfang der Bundeswehr soll bis 2024 um 13.000 auf insgesamt 198.000 Soldatinnen und Soldaten erhöht werden und der zivile Zielumfang soll sich auf 61.400 Haushaltsstellen belaufen. Wie der General die Trendwende Personal gestalten will, erklärt er im Interview.
Herr General, Sie tragen als „Personalchef der Bundeswehr“ Verantwortung für rund 264.000 Menschen in Uniform und Zivil. Ist das ein Traumjob für Sie oder eher eine soldatische Pflicht, die angesichts der Herausforderungen vielleicht sogar schwer auf Ihren Schultern lastet?
General Zorn: Ich führe seit Jahren in unterschiedlichen Aufgaben Menschen und war auch schon einmal im Organisationsbereich Personal als Personalführer und als Grundsatzreferent tätig. Verantwortung für Menschen zu tragen ist für mich nie eine Last gewesen, auch wenn es nicht immer leicht ist. Insofern habe ich diese Aufgabe gern übernommen. Sie macht Freude, weil ich gestalten kann. Mein Team in der Abteilung Personal arbeitet fleißig für eine einsatzbereite Bundeswehr und erzielt gute Ergebnisse. Darauf kann ich mich vertrauensvoll abstützen.
Trendwende Personal, das scheint vergleichbar mit einem mächtigen Tanker, der in voller Fahrt wenden muss – mit heftigem Gegenwind durch geburtenschwache Jahrgänge und große Konkurrenz in Wirtschaft und staatlichen Organisationen wie Polizei oder Zoll. Was tut die Bundeswehr, um als attraktiver Arbeitgeber zu bestehen?
General Zorn: Ja, wir sind in einer Konkurrenzsituation und kämpfen zudem gegen eine abfallende Demografie-Kurve an. Mit der Trendwende haben wir einen Kraftakt eingeleitet. Ich kann die positive Botschaft weitergeben, dass der Abwärtstrend – bundeswehrweit geschaut – inzwischen tatsächlich gestoppt ist. Nach einem historischen Tiefstand im Juni 2016 ist es uns gelungen, die Anzahl der Berufs- und Zeitsoldaten bereits in 2016 um 1800 und in 2017 um weitere 2000 zu erhöhen. Die Kurve zeigt jetzt nach oben!
Und das läuft ohne Knirschen?
General Zorn: Es geht natürlich nicht von heute auf morgen. Wir können nur eine bestimmte Anzahl an Menschen einstellen, weil diese ja auch bei uns ausgebildet werden müssen. Diese Kapazitäten mussten wir über die Streitkräfte und im Bereich des Zivilpersonals entsprechend anpassen. Wir haben darüber hinaus sämtliche Prozesse untersucht und unter anderem darauf gedrängt, dass die Reaktionszeiten gegenüber den Bewerbern schneller und präziser werden. Zudem haben wir mit 110 Beratungsbüros in der Fläche unsere Beratungsmöglichkeiten über die Karrierecenter erweitert. Wir haben also bereits eine ganze Menge getan, um dem hohen Bewerberaufkommen Rechnung zu tragen.
Auch bei den Möglichkeiten sich bei der Bundeswehr zu bewerben sind wir bereits große Schritte vorangekommen – ganz im Sinne eines modernen Arbeitgebers. Unsere Karriere-Homepage ist intuitiv zu bedienen und mit wenigen Klicks haben Sie Ihr Interesse bei der Bundeswehr bekundet. Ich habe es selbst ausprobiert, es klappt wunderbar. Die Daten liegen anschließend den Beratungsbüros digital vor und den Interessenten wird in der Fläche ein erstes Gespräch angeboten. Derzeit erproben wir neue Features, wie einen Jobbot beim Messenger von Facebook. Unser Jobbot lernt noch fleißig, kann aber erste Fragen schon beantworten.
Welche Rolle spielt in diesem Zusammenhang die Personalbindung?
General Zorn: Personalbindung ist für uns das zweite wichtige Feld. Wir können zwar Anreize setzen – auch finanzieller Art – aber zu einer erfolgreichen Personalbindung benötigen wir letztlich die Unterstützung aller Vorgesetzten – in der Truppe, den Stäben und den zivilen Dienststellen. Nur so können wir die Menschen auch tatsächlich halten. Ab diesem Jahr werden erste Personalberatungsteams des Bundesamtes für das Personalmanagement der Bundeswehr vor Ort die Vorgesetzten und das Fachpersonal bei der Umsetzung unterstützen – zusätzlich zu den in den Organisationsbereichen bereits vorhandenen Personalentwicklungsteams.
Auch dürfen wir in der Ausbildung nicht zu viele verlieren und müssen an der Schwelle vom Zeit- zum Berufssoldaten mehr Kameraden übernehmen. Bei den Feldwebeln haben wir die Quote schon sehr deutlich erhöht – und zwar ohne Qualitätsverluste. Wir schauen in alle Bereiche, öffnen unsere Laufbahnen, ermöglichen verstärkt den Seiteneinstieg sowie den Wiedereinstieg und wir verbreitern das Angebot für Reservistendienst Leistende. Wir forcieren den Binnenarbeitsmarkt und gehen erneut gesetzgeberische Initiativen an, um die Rahmenbedingungen für die Soldaten und Zivilisten zu verbessern. Das Ringen um Attraktivität ist nie beendet.
Herr General, die Personalstrategie der Bundeswehr wurde vor etwas mehr als einem Jahr durch die Bundesministerin herausgegeben. Die Steuerung der Umsetzung liegt in Ihrer Verantwortung. Sind Sie zufrieden mit dem bisher erreichten?
General Zorn: Die bisherigen Ergebnisse und Erfolge der beiden Programme, der Agenda Attraktivität und des Strategieprogramms, können sich sehr wohl sehen lassen. Mit der Agenda Attraktivität haben wir die Rahmenbedingungen des Dienstes für viele Soldaten spürbar verbessert. Beispiele dafür gibt es viele: Nehmen Sie nur mal die verbesserte Kinderbetreuung an zahlreichen Standorten oder das eingeführte betriebliche Gesundheitsmanagement. Weitere Maßnahmen zielen auf eine transparentere und zuverlässigere Personalführung. Auch wenn weiterhin Luft nach oben ist und nicht immer alle zufrieden sind, wir haben uns in den vergangenen Jahren deutlich verbessert. Egal, ob Soldaten in Teilzeit arbeiten wollen oder wieder in die Vollzeit wechseln, müssen sie keine Begründung mehr angeben. Darum wird in der freien Wirtschaft derzeit hart gerungen – bei uns ist es schon Realität.
Die Maßnahmen des Strategieprogramms sind langfristiger angelegt und werden nach und nach wirken. Nehmen Sie das Beispiel einer moderneren Ausgestaltung der militärischen Laufbahnen. Hier haben wir binnen eines Jahres 15 Einzelmaßnahmen in einem breiten Dialog entwickelt, die wir nun umsetzen werden. Dabei haben wir neben den externen Bewerbern auch unser Bestandspersonal, und hier insbesondere unsere Feldwebel, Unteroffiziere und Mannschaften, im Blick. Allein acht dieser 15 Maßnahmen erfordern rechtliche Anpassungen, die wir in die Gesetzgebungsvorhaben der angelaufenen Legislaturperiode einbringen werden. Die Laufbahnen werden also attraktiver und bedarfsorientierter ausgestaltet.
Derzeit gehen die Kameradinnen und Kameraden zur besonderen Altersgrenze in den Ruhestand. In wie fern gehört eine spätere Zurruhesetzung auch zum Konzept der Personalbindung?
General Zorn: Wie Sie richtig festgestellt haben, gehen die Kameradinnen und Kameraden derzeit größtenteils mit Erreichen der besonderen Altersgrenze in den Ruhestand – hier ist die Ausnahme zur Regel und auch zu einer Erwartungshaltung geworden. Diese Ausnahme steht jedoch deutlich im Zusammenhang mit dem fast 30-jährigen kontinuierlichen strukturell vorgegebenen Personalabbau. Da wir nun wieder aufwachsen wollen und müssen, können wir im militärischen Bereich jedoch nicht nur durch eine optimierte Organisation und Neueinstellungen aufwachsen. Vielmehr gilt es, das Personal, das bereits für die Bundeswehr tätig ist und über besondere, dringend benötigte Werdegänge und Kompetenzen verfügt, möglichst lange an den Arbeitgeber Bundeswehr zu binden. Seit 2016 konnten wir rund 1.500 Soldatinnen und Soldaten mit diesen benötigten Werdegängen und Kompetenzen um durchschnittlich rund zwei Jahre länger an uns binden. Diese Kameradinnen und Kameraden haben so mit einem späteren Pensionsbeginn zur Trendwende Personal beigetragen.
Um der Trendwende Personal gerecht zu werden, prüfen wir derzeit, wie wir künftig bei der Zurruhesetzung verfahren wollen – mit einem Höchstmaß an Vertrauensschutz. Noch ist nichts entschieden. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen bleiben im Wesentlichen unverändert.
Sie waren unter anderem Kommandeur der Division Schnelle Kräfte und führten davor die Luftlandebrigade 26, besitzen also sehr große Erfahrungen als Truppenführer. Erhält die Truppe auch bei steigender Nachfrage weiterhin von der Personalgewinnungsorganisation diejenigen Soldatinnen und Soldaten, die Sie braucht? Oder ist es unvermeidbar, die Ansprüche zu senken, um auf dem Arbeitsmarkt mithalten zu können?
General Zorn: Genau diese Fragen hatte ich für meine ersten Gespräche im Organisationsbereich Personal als Ansatz genommen. Ich war als allererstes in Karrierecentern und bei der Abteilung Personalgewinnung. Die Bewerberzahl bei den Soldaten lag trotz des demographischen Wandels nur unwesentlich unterhalb der Zahlen aus 2016. Im Jahr 2017 hatten wir rund 57.000 Bewerbungen auf militärische Dienstposten, davon circa 43.800 als Soldatin oder Soldat auf Zeit.
Das Interesse am Soldatenberuf ist also weiterhin erfreulich hoch. Es gibt jedoch Engpässe wie in der zivilen Wirtschaft auch, nämlich bei ITInformationstechnik-Fachleuten und in technischen Berufen.
Bei den Bewerbungen als Tarifbeschäftigte hatten wir im Jahresvergleich 2016 und 2017 durchschnittlich 16 statt 18 Bewerber auf eine zu besetzende Stelle. Uns stehen aber weiterhin sowohl quantitativ wie qualitativ genügend Bewerber zur Verfügung, um die freien Arbeitsplätze sachgerecht besetzen zu können. Die Bewerberlage ist nach wie vor ausgesprochen gut.
Entspricht das Bildungsniveau Ihren Erwartungen?
General Zorn: Es ist erfreulich hoch – und zwar bei den Bewerbern und bei denjenigen, die wir einstellen. Bei den in 2017 verpflichteten Soldaten hatten rund 38 Prozent die Fachhochschule oder eine höhere Schulausbildung absolviert und rund 41 Prozent die mittlere Reife erlangt. Bei den Beamten waren es rund 67 Prozent mit Fachhochschule oder höher und 25 Prozent mit mittlerer Reife. Da fast dreiviertel der zu besetzenden Stellen bei den Tarifbeschäftigten im mittleren Dienst waren, hatten erwartungsgemäß mehr Personen die mittlere Reife. 48 Prozent der neu eingestellten Tarifbeschäftigten hatten diesen Bildungsstand als sie zu uns kamen und 32 Prozent die Fachhochschule oder eine höhere Ausbildung. Dies sind Pfunde, mit denen wir wuchern können und es lässt uns erkennen, dass wir als attraktiver Arbeitgeber anerkannt sind.
Derzeit untersuchen wir gerade, wie wir durch unsere eigenen Bildungsangebote diese Abschlüsse noch um eine zivilberufliche Qualifizierungsstufe erhöhen können – wir wollen in unsere Soldaten noch mehr investieren.
Entsprechen die sportlichen Leistungsfähigkeiten bei den Soldaten Ihren Erwartungen?
General Zorn: Auch dem bin ich, vor allem wegen Klagen aus der Kampftruppe, nachgegangen. Wir nutzen in unseren Assessmentcentern mit dem Basis Fitness Test die gleichen Messmethoden wie in der Truppe. Das ist unser gemeinsamer Abholpunkt; in der Truppe muss dann entsprechend trainiert werden. Klar, wir müssen uns den Realitäten stellen. Entscheidend ist das auf den einzelnen Dienstposten bezogene Anforderungsprofil. Mit Pauschalforderungen kommen wir heute nicht mehr weiter.
Bei der Bundeswehr denkt man immer zuerst an Uniformierte. Es gibt aber Beamte und Tarifbeschäftigte, ohne die die Streitkräfte nicht einsatzfähig wären. Ihre Zahl soll ebenfalls vergrößert werden. Wie beurteilen Sie die Attraktivität dieser Laufbahnen?
General Zorn: Auch hier ist das Bewerberaufkommen hoch, die Personalgewinnung läuft gut – mit ähnlichen Hauptschwierigkeiten im Bereich gehobener technischer Dienst und feuerwehrtechnischer Dienst. Deshalb arbeiten wir an attraktiven Karrierepfaden. Wir haben vor allem bei der Feuerwehr Personalbündelungen ermöglicht, so dass die Leute nicht zu häufigen Standortwechseln gezwungen sind, sondern in einer Aufgabe aufwachsen können. Flexible Arbeitszeitregelung und mobiles Arbeiten – all dies trägt im zivilen Umfeld zu größerer Berufs- und Dienstzufriedenheit bei. Eine Umfrage zeigt, dass die zivilen Mitarbeiter seit Einführung der Agenda Attraktivität mit ihrem Umfeld zufriedener sind, das spiegelt sich auch bei Soldaten wider. Wir haben Neufassungen der Konzeption „Personalentwicklung für Tarifbeschäftigte und Beamte“ erlassen. Personalentwicklungsgespräche zwischen Vorgesetzten und Mitarbeiterinnen sowie Mitarbeitern bekommen nun einen höheren Stellenwert. Dabei ist mir wichtig, dass die Vorgesetzen und die Personalführung die Mitarbeitenden aktiv ansprechen und mit ihnen Qualifikationsmaßnahmen vereinbaren.
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