Digitalisierung. Jeder hat das Wort schon einmal gehört. Doch oft bleibt es ein abstrakter Begriff. Der Thementag am 17. Januar im Bundesministerium der Verteidigung (BMVgBundesministerium der Verteidigung) hat hierzu die Führungskräfte der Bundeswehr für den tiefgreifenden Wandel sensibilisiert. Denn: Das Schlagwort Digitalisierung ist mehr als nur Nullen und Einsen, es ist mehr als ITInformationstechnik, ist nicht nur das Thema Cyber und Informationsraum.
Digitalisierung betrifft alle Bereiche der Bundeswehr: Vom Einsatz bis zur Verwaltung. Dabei sind Prozesse zu automatisieren, Big Data (advanced analytics) als Instrumente zu nutzen. Ohne fundamentale Veränderungen von Organisationen („Teams statt Hierarchien“), Personal (z.B. Werdegangsmodelle) und Kultur kann dies nicht erfolgreich gelingen, wie Lars Zimmermann von Hy in seinem externen Layout allen Teilnehmern nahe brachte.
Keiner kann sich dem Thema Digitalisierung entziehen. Und es gilt jetzt: „Welche Prozesse wie digitalisiert werden können und sollen, muss jeder Bereich für sich selbst herausfinden, CITCyber- und Informationstechnik kann dabei helfen.“
„Die Digitalisierung wird die Bundeswehr verändern“, leitete Verteidigungsministerin von der Leyen die Veranstaltung ein. „Wir müssen auf einem neuen digitalisierten Gefechtsfeld antreten.“ Und: „Wir müssen es jetzt richtig machen und uns offensiv damit auseinandersetzen“. Laut dem Leiter der Abteilung Cyber und Informationstechnik (CITCyber- und Informationstechnik) im Ministerium, Klaus Hardy Mühleck, sei die Bundeswehr in Sachen Digitalisierung weit vorne. „Wir müssen die Veränderungen als Chance sehen und diese in den Alltag aufnehmen.“
Wo durch Digitalisierung die Bundeswehr effektiver werden wird, demonstrierten die Generalleutnante Dieter Warnecke und Klaus von Heimendahl vom BMVgBundesministerium der Verteidigung sowie Frank Leidenberger vom Kommando Heer. Warnecke stellte die Krisenfrüherkennung als strategisch bedeutsam hervor. „Mit dem neuen Demonstrator Krisenfrüherkennung haben wir nachgewiesen, dass wir mit Hilfe von Datenmassen Krisen realistisch voraussagen können.“ Durch die automatisierte Auswertung von „Big Data“ könnten sich Analysten wieder auf ihre Kernaufgabe, die inhaltliche Auswertung, konzentrieren.
Von Heimendahl und Leidenberger zeigten auf, wie die Einsatzbereitschaftslage und die Operationsführung bereits heute schon digital realisierbar wären, beziehungsweise in Teilen schon umgesetzt sind. „Wir haben es mit einem gläsernen Gefechtsfeld zu tun – transparent aber komplex“, so Leidenberger. „Wer schneller aufklärt und zuschlägt, ist erfolgreich. Deswegen geht es vor allem darum, Sensoren und Effektoren digital miteinander zu verbinden.“ Rein physisch könne die Aufklärung von der Wirkung immer besser getrennt werden, beispielsweise durch kleine fernsteuerbare Drohnen. „Dadurch können wir unsere Soldaten im Einsatz besser schützen“, so der General.
Wo Digitalisierung in der Bundeswehr bereits heute ganz praktisch Einzug gehalten hat und welche Potenziale vorhanden sind, davon konnten sich die Teilnehmer bei der Besichtigung diverser Exponate überzeugen. Das Kommando Spezialkräfte nutzt seit geraumer Zeit Black Hornet zur Aufklärung im Nahbereich. Der Miniaturhubschrauber ist mit 16,6 Zentimetern Länge und 3,6 Zentimetern Höhe die kleinste derzeit verfügbare Nanodrohne überhaupt. Sie ist mit drei Kameras ausgestattet und wiegt ganze 18,5 Gramm. Die fernsteuerbare Drohne ist GPSGlobal Positioning System-gebunden, kann ihre Position selbständig halten und vorgegebene Wegpunkte eigenständig abfliegen.
Ein ähnliches Konzept verfolgt RABE – nur auf dem Boden. Der Roboter zur Aufklärung, Beobachtung und Erkundung im Ortsbereich überwindet sogar Treppenstufen. „Technisch ist es ohne weiteres möglich, dass die Aufklärungsergebnisse von RABE sofort einer höheren Führungsebene zur Verfügung gestellt werden“, sagt Dennis Dillenberger, Projektleiter RABE am Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBwBundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr). „Wir wollen an den Punkt kommen, dass der Zugführer über das Führungsinformationssystem das Gleiche sieht, wie der Bediener des RABE auf seiner Fernbedienung.“
Was mit den heute auf dem Markt verfügbaren Produkten möglich ist, demonstrierte das Fraunhofer Institut für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung (IOSB) mit der Microsoft HoloLens. Die futuristische Brille erlaubt es dem Nutzer, interaktive 3D-Projektionen in der Umgebung darzustellen. So kann er beispielsweise Informationen über aufgeklärte Feindeinheiten den eigenen Kräften in Echtzeit zur Verfügung stellen. „Jeder sieht dasselbe. Im Ergebnis müssen sich die Teileinheiten nicht mehr mit Sprache über den Ort und die Stärke von feindlichen Kräften austauschen“, erklärt Michael Arens vom IOSB. Vorgeführt und mit großem Interesse diskutiert und „begriffen“ wurden auch die ähnlich gelagerten Möglichkeiten von bereits in der Bundeswehr eingeführten Systemen, dem Infanterist der Zukunft – erweitertes System (IdZ-ES) sowie des 3D-Drucks, beispielsweise von Ersatzteilen für den und im Einsatz.
Bei einer anschließenden Übung wurden die Teilnehmer mit Entscheidungssituationen konfrontiert. Das Szenario: Bei dem fiktiven EUEuropäische Union-Einsatz „AIFOS“ im Mittelmeer kommt es zu verschiedenen Cyberattacken und Vorfällen auch auf das EUEuropäische Union-Hauptquartier in Rom. Zum Beispiel werden Drohnenüberflüge über dem Hauptquartier in der italienischen Hauptstadt gemeldet. Fake News werden gestreut und gewalttätige Demonstrationen angeheizt. Eine EUEuropäische Union-Fregatte wird per Malware von der Kommunikation abgeschnitten. In mehreren Fragestellungen mussten die Teilnehmer einschätzen, wie schwerwiegend die Angriffe einzuschätzen sind, inwieweit die Öffentlichkeit zu informieren ist und was EUEuropäische Union-weit die angemessene Reaktion wäre. Tenor: Viele Fragen sind bei hybriden Bedrohungen und Cyberattacken sehr herausfordernd, insbesondere auf EUEuropäische Union-Ebene.
Generalleutnant Ludwig Leinhos, Inspekteur des Cyber- und Informationsraums, stellte in seinem Vortrag den Mehrwert seines Organisationsbereiches für die Bundeswehr dar. Unter anderem würde dadurch die Informationssicherheit verbessert und ein Beitrag zur gesamtstaatlichen Cybersicherheit geleistet.
In ihren Schlussworten appellierten Staatssekretärin Katrin Suder und Staatssekretär Gerd Hoofe an die Führungskräfte, Verantwortung zu übernehmen. „Die Digitalisierung betrifft alle Bereiche der Bundeswehr. Nicht nur Technik, Personalentwicklung und die Organisation müssen daran angepasst werden. Notwendig ist eine neue Kultur, die die Mitarbeiter leben müssen. Sie als Führungskräfte müssen diese Kultur vorleben“, sagte Hoofe und ergänzte: „Diese Transformation muss sich schneller vollziehen, als es in vergangenen Änderungsprozessen stattgefunden hat.“
„Wie die Prozesse von der Digitalisierung betroffen sind und welche Maßnahmen ergriffen werden, kann in den jeweiligen Organisationsbereichen unterschiedlich sein.“, betonte Suder. Daher forderte sie alle Anwesenden auf sich und ihre Bereiche einzubringen. „Sie als Führungskräfte dürfen und müssen eine Antwort auf die Digitalisierung finden.“ Auch die Leitung BMVgBundesministerium der Verteidigung bleibt eng am Thema: Das neu aufgestellte Digitalisierungsboard unter dem Vorsitz der Ministerin wird sich bereits im März erstmals zusammenfinden, um genau hierüber mit allen zu reden und konkrete Umsetzungsmaßnahmen festlegen.
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