Die Bundeswehr der Zukunft soll nach den Vorstellungen von Verteidigungsministerin Christine Lambrecht eine voll ausgestattete, leistungsfähige und hochmoderne Armee sein. Ihr Ziel einer „Allround-Armee“ beschreibt die Ministerin in einem Gastbeitrag für die Welt am Sonntag. Deutschland stehe vor einer sicherheitspolitischen Zäsur, so Lambrecht.
Deutschland steht vor einer sicherheitspolitischen Zäsur. Mit umfassenden Investitionen werden wir unsere Bundeswehr zu einer leistungsfähigen und hochmodernen Armee ausbauen. Mein Ziel ist eine voll ausgestattete Bundeswehr, die uns und unsere Bündnispartner zuverlässig schützt; eine Allround-Armee, die Deutschland zu einem starken militärischen Kooperationspartner in Europa macht – und damit zu einem europäischen Kräfteverstärker in NATONorth Atlantic Treaty Organization und EUEuropäische Union. Wie dringlich dieses Vorhaben ist, führen uns die aktuellen Ereignisse schmerzlich vor Augen.
Wir haben wieder Krieg in Europa. Der russische Präsident führt einen verbrecherischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Und wir wissen nicht, wie weit er seinen Großmachtwahn treiben wird. Die Sicherheitslage auf unserem Kontinent ist so dramatisch wie lange nicht mehr. Mit jedem Bericht und jeder furchtbaren Meldung aus dem Kriegsgebiet sehen wir: Wer in Freiheit leben will, braucht militärische Stärke, die diese Freiheit schützt. Und zu den Bedrohungen, die wir jetzt vor Augen haben, treten neue hinzu. Unsere freiheitlichen Demokratien geraten zunehmend unter den Druck autoritärer Regime, die sich nicht oder nur bedingt an Völkerrecht halten. Und daher handeln wir.
Vor zwei Wochen hat Bundeskanzler Olaf Scholz ein 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen für die Bundeswehr angekündigt. Fortan werden wir mehr als zwei Prozent unserer Wirtschaftsleistung für Verteidigung ausgeben. Das ist viel Geld. Aber es ist gut investiert: in die Sicherheit und Freiheit auch künftiger Generationen. Wir müssen uns einer Tatsache stellen, die wir lange verdrängt haben: Sicherheit hat einen Preis, den wir als Gesellschaft zahlen müssen. Viel zu lange wurde gekürzt, gespart und nur der Mangel verwaltet. Jetzt haben wir die große Chance, die Bundeswehr zeitgemäß zu gestalten und umfassend besser aufzustellen.
Ich werde dafür sorgen, dass dieses Geld sinnvoll und wirtschaftlich eingesetzt wird – und die Verbesserungen tatsächlich bei unseren Soldatinnen und Soldaten ankommen.
Es gilt, unsere Streitkräfte wieder so auszustatten, dass sie ihren Kernauftrag in vollem Umfang erfüllen können: unser Land und unsere Bündnispartner zu verteidigen. Die Bundeswehr wird zudem unserer Verantwortung in der Welt Rechnung tragen und auf die globalen Herausforderungen reagieren können.
Die Bundeswehr bleibt damit eine Allround-Armee, die Fähigkeiten im gesamten militärischen Spektrum vorhält. Sie bleibt ein Anlehnungspartner für kleinere Staaten, die sich auf Nischenfähigkeiten spezialisieren und diese einbringen. Um dieser Rolle gerecht zu werden, bauen wir gezielt die Fähigkeiten aus, die andere Staaten nicht vorhalten können. Nur so können unsere Streitkräfte auch zum europäischen Kraftverstärker in NATONorth Atlantic Treaty Organization und EUEuropäische Union werden. Ich bin überzeugt: Ein militärisch handlungsfähiges Europa gibt es nur mit einer handlungsfähigen Bundeswehr.
Um dieses Ziel zu erreichen, werden wir Lücken schließen, wir werden modernisieren und aufwerten. Dazu gehört unter anderem die Nachfolge für unsere in die Jahre gekommenen schweren Transporthubschrauber. Und dazu gehört auch die persönliche Ausstattung der Soldatinnen und Soldaten, etwa moderne Schutzwesten und Nachtsichtgeräte. Unsere Frauen und Männer sind bereit, für unsere Werte zu kämpfen. Daher hat es für mich höchste Priorität, sie bestmöglich auszurüsten.
Wir müssen die Fähigkeiten aufbauen, die wir brauchen, um gegen die Bedrohungen der Gegenwart und der Zukunft gewappnet zu sein. Dabei geht es nicht um Aufrüstung, sondern um Ausrüstung. Es geht darum, dass wir vorhandene und absehbare Defizite beseitigen. Unsere Einsatzbereitschaft muss signifikant wachsen. Wir werden einen größeren Teil unserer Kräfte deutlich schneller verlegen können. Und wir werden in der Lage sein, unsere Präsenz an der NATONorth Atlantic Treaty Organization-Ostflanke zum Schutz unserer Bündnispartner nachhaltig zu erhöhen.
Bei der Umsetzung dieser Ziele sind drei Punkte entscheidend:
Erstens: Es wird jetzt keinen Kaufrausch geben! Und es wird auch keine „Goldrand-Lösungen“ geben, also keine überambitionierten Idealprojekte, die in der Realität zu lange brauchen, zu teuer werden oder niemals umzusetzen sind. Vielmehr liegt unser Schwerpunkt auf bewährten, ausgereiften und am Markt verfügbaren Produkten. Ich habe den Generalinspekteur der Bundeswehr beauftragt, entsprechend scharf zu priorisieren.
Zweitens: Wir müssen schneller und wirtschaftlicher werden. Hier gab und gibt es zu viele Mängel: zum Beispiel umständliche Verfahren. Das lässt sich nicht mit einem Handstreich lösen. Die Optimierung des Beschaffungswesens aber ist in meinem Ministerium durchgehend Chefsache. Einige Hürden können wir schon kurzfristig beseitigen: Um die in der aktuellen Krise am dringendsten benötigte Ausstattung schnell beschaffen zu können, werden wir die europarechtlichen Ausnahmen für das Vergaberecht voll ausschöpfen. Außerdem heben wir die Grenzen für eine freihändige Vergabe von Aufträgen durch die Truppe von 1.000 auf 5.000 Euro an. Beides spart uns zeitaufwändige Vergabeverfahren – und setzt dadurch Ressourcen frei.
Und drittens: Das Sondervermögen der Bundeswehr wird uns in die Lage versetzen, die Ausstattung der Bundeswehr schneller bedarfsgerecht aufzustellen, als dies im üblichen – jährlichen – Haushaltsrhythmus möglich wäre. Dabei bleiben die Haushaltsrechte des Parlaments in vollem Umfang gewahrt. Und auch in der Frage, welche Ausrüstung wir mit unseren neuen Möglichkeiten beschaffen, werde ich mich eng mit dem Bundestag abstimmen. Das ist mir ein ganz wichtiges Anliegen! Denn die Bundeswehr ist und bleibt Parlamentsarmee. Die Verantwortung für die Zukunft der Bundeswehr tragen wir alle.
Die Bürgerinnen und Bürger können sich darauf verlassen: Wir stellen uns der Verantwortung, die die sicherheitspolitische Zäsur mit sich bringt: Die Menschen in der Bundeswehr – in Uniform und in Zivil – wissen gerade jetzt, wofür sie dienen. Und sie verdienen dafür die bestmögliche Ausrüstung.
Der Gastbeitrag erschien im Original auf welt.de: Mein Drei-Punkte Plan für die Bundeswehr
Inhalte teilen via