Am 24. März 2023 fand die siebte Veranstaltung der „Gespräche am Ehrenmal“ statt. Die Diskutierenden zogen eine Zwischenbilanz des seit fünf Jahren geltenden, aktuellen Traditionserlasses der Bundeswehr. Kernfrage: Wie ist es um die Traditionspflege in der Bundeswehr nach der „Zeitenwende“ bestellt?
Im „Raum der Information“ am Ehrenmal der Bundeswehr hatten sich die hochrangigen Militärs zusammengefunden, um sowohl einen Blick von innen als auch von außen auf die Tradition der Bundeswehr und ihre Entwicklung zu werfen.
Die Traditionsfrage ist für jede Soldatin und jeden Soldaten eine individuelle Frage.Generalleutnant Rohrschneider, Abteilungsleiter Fü SK im Verteidigungsministerium
In seiner Vorbemerkung betonte Generalleutnant Kai Rohrschneider, Abteilungsleiter Führung Streitkräfte im Verteidigungsministerium, dass Tradition für die Soldatinnen und Soldaten eine Rückversicherung gegenüber der Gesellschaft sei und außerdem die soldatische Identität definiere. Der seit fünf Jahren gültige, neue Traditionserlass stelle hier eine Verbesserung dar.
Sicher war sich Rohrschneider, dass die veränderte globale Situation, welche die Verteidigung und Abschreckung (wieder) in den Vordergrund rücke, die künftige Diskussion und Gestaltung von Tradition der Bundeswehr beeinflussen werde.
Für Oberst i.G.im Generalstabsdienst Dr. Sven Lange, Kommandeur des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr, bedeutet der neue Traditionserlass der Bundeswehr vor allem Handlungssicherheit. Er stelle klar, dass Wehrmacht und Nationale Volksarmee für die Bundeswehr als Armee der Demokratie nicht traditionsbildend sein könnten. Wichtig war Lange in diesem Zusammenhang aber die Geschichte der Bundeswehr selbst – die Entwicklungen zwischen 1955 und 1990 und auch die durch die Auslandseinsätze geprägte Zeit danach. Diese bildeten einen sehr wichtigen Teil der Bundeswehrtradition.
Der Traditionserlass ist ein generisches Papier: Er gibt die linke und die rechte Grenze für die Truppe vor. Die Truppe soll sich eigene Gedanken machen.Oberst i.G.im Generalstabsdienst Dr. Sven Lange, Kommandeur des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr
Um der Truppe Orientierung bei der Suche nach Tradition zu geben, erarbeitet das Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr zurzeit einen Wegweiser für die Traditionspflege.
Admiral a.D.außer Dienst Karsten Schneider betonte, dass die Formel „Das haben wir schon immer so gemacht“ nicht das Bedürfnis der Truppe nach Tradition widerspiegele.
Die Geschichte der Bundeswehr seit 1955 ist der natürliche Puffer zwischen dem Jetzt und manch unseliger Vergangenheit. Sie ist eine Erfolgsgeschichte.Konteradmiral a.D.außer Dienst Karsten Schneider, ehemaliger Chef des Stabes des Marinekommandos
Der Admiral bedauerte, dass die eigene Tradition der Bundeswehr weitgehend ausgeblendet sei. Er stellte klar, dass die Bundeswehr auch zwischen 1955 und 1990 erfolgreich gewesen sei: Sie habe ihren Auftrag, einen dritten Weltkrieg zu verhindern, erfüllt. Das sei ein Erfolg, auf den sich Tradition aufbauen ließe und aus dem die Bundeswehr im Zuge der „Zeitenwende“ etwas lernen könne.
Oberst i.G.im Generalstabsdienst Tobias Aust berichtete aus seiner Zeit als Kommandeur des Aufklärungsbataillons 6 „Holstein“ und von der Umbenennung seiner Kaserne. Dabei sei aufgefallen: Der nach dem neuen Traditionserlass nicht mehr traditionswürdige ursprüngliche Namensgeber der Kaserne, Karl von Rettberg, sei den Soldatinnen und Soldaten ohnehin kein Begriff gewesen.
Die Kasernen-Umbenennung bot für uns die Chance, unsere Kaserne als unsere militärische Heimat zu identifizieren.Oberst i.G.im Generalstabsdienst Tobias Aust, 2019 Kommandeur Aufklärungsbataillon 6 „Holstein“ in Eutin
Aust berichtete, für die Soldatinnen und Soldaten sei dagegen der Gründungsvater des Bataillons, Oberst Werner Herrmann, Identifikations- und Integrationsfigur des Verbandes. Er gebe ihnen ein verbindliches Vorbild für das Menschenbild des Grundgesetzes. Die ehemalige Rettbergkaserne in Eutin heißt seit 2021 Oberst-Werner-Herrmann-Kaserne.
Brigadier im Ruhestand Rob Rider, ehemaliger Verteidigungsattaché Großbritanniens, lernte die deutsche wie auch die britische Armee gut kennen und verglich beide miteinander.
Seien Sie stolz auf Ihre Geschichte und auf das, was die Bundeswehr in der Bundesrepublik Deutschland erreicht hat!Brigadier Rob Rider, ehemaliger Verteidigungsattaché Großbritanniens
Der Brigadier hob hervor, dass die Armee Großbritanniens von der Bundeswehr das Konzept des Führens mit Auftrag gelernt habe. Auch die Schriften der Generale Speidel, Heusinger und Baudissin hätten die britische Armee inspiriert. Die Bundeswehr als Verbündeter habe die britischen Soldaten mit ihrer militärischen Brillanz und ihrer Ausrüstung beeindruckt, so Rider. Er ermutigte die Bundeswehr, mehr Mut zur Tradition zu zeigen und selbstbewusster aufzutreten.
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