Seit 2014 kooperiert Deutschland mit 15 europäischen Nationen innerhalb des NATONorth Atlantic Treaty Organization Framework Nations Concepts (FNCFramework Nations Concept). Seit Beginn der Zusammenarbeit haben sich im FNCFramework Nations Concept 16 Tätigkeitsbereiche, die sogenannten Fähigkeitscluster, herausgebildet, an denen sich die einzelnen Nationen aktiv oder als Beobachter beteiligen. Eines der von Deutschland betreuten Fähigkeitscluster ist das Cluster Medical Support. Mittlerweile engagieren sich zehn europäische Länder mit unterschiedlichem Grad der Intensität an der Fähigkeitsentwicklung der sanitätsdienstlichen Unterstützung.
Im Cluster Medical Support wurden durch die beteiligten Sanitätsdienste Projekte identifiziert, die durch das Kommando Sanitätsdienst der Bundeswehr koordiniert werden. Die derzeit im Fokus stehenden Projekte sind unter anderem die Modularität, einheitliche Verfahrensabläufe sowie gemeinsame Trainings, Übungen und Ausbildungen. Gemeinsames Zwischenziel der Arbeit in diesen Projekten wird die Teilnahme einer gemeinsamen Behandlungseinrichtung der Ebene (Role) 2B an der multinationalen Übung Vigorous Warrior 2017 auf dem Truppenübungsplatz Lehnin im September sein, die auf Säulen miteinander abgestimmter Verfahrensabläufe, der sogenannten Standard Operating Procedures (SOP), ruht.
Trotz aller Vorteile einer multinationalen Zusammenarbeit steckt genau hier der Teufel im Detail. Schließlich haben die beteiligten Nationen unterschiedliche Sichtweisen auf Verfahren, Einsatz von Personal und Nutzung von Material. Aber auch die unterschiedlichen nationalen Rechtsgrundlagen und andere organisatorische und prozessuale Herangehensweisen in der medizinischen Versorgung machen den Abstimmungsprozess zu einer echten Herausforderung für alle Beteiligten. Eine Behandlungseinrichtung der Ebene 2B muss gemäß NATONorth Atlantic Treaty Organization Vorschriften mindestens aus sieben Modulen bestehen, die die Kernforderungen an diese Behandlungsebene abdecken. Diese reichen von der Aufnahme in einer Emergency Area bis hin zu einer kurzzeitigen postoperativen Nachsorge.
Da die gemeinsame Behandlungseinrichtung Role 2B einen sehr hohen Grad an Modularität aufweist und es innerhalb der meisten Module eine starke multinationale Beteiligung gibt, wurde vereinbart, dass eine bestimmte Nation die Führung eines Moduls übernehmen muss. Deutschland wird als Rahmennation für das sogenannte Modul C4I (Command, Control, Communications, Computers, and Intelligence), also Führungsunterstützung aber auch für Medical Supply, also die Versorgung mit Sanitätsmaterial und den technischen Betrieb verantwortlich sein. Unsere europäischen Partner Belgien, Niederlande, Luxemburg, Slowakei und Tschechien teilen sich die Verantwortung in den klinischen und diagnostischen Bereichen. Ungarn und Norwegen nehmen zwar nicht in der Rolle einer Führungsnation teil, jedoch stellen die beiden Länder entweder Personal oder, im Falle Ungarns, auch Patiententransportmittel zur Verfügung. Ebenfalls nicht zu den Führungsnationen gehörend partizipiert Litauen mit großen personellen Beiträgen in fünf Modulen.
Übertragen auf einen realen Einsatz würde eine Kombination wie diese bedeuten, dass man sanitätsdienstliche Verantwortung auch teilen kann und eine Nation nicht die komplette Last alleine tragen muss. Ob man dabei diesen hohen Grad an Modularität und Multinationalität in einer Behandlungseinrichtung einhalten kann, werden die in der Übung gewonnenen Erkenntnisse zeigen.
Eine Besonderheit an der FNCFramework Nations Concept Role 2B bietet die Multinational Primary Healthcare Unit (MPHU). Diese MPHU soll die truppenärztliche Versorgung sicherstellen und ist somit gerade im Hinblick auf multinationale Einsätze eine wertvolle Ergänzung, bietet sie doch als zusätzliches Modul eine zentrale Ansprechstelle für die an einem Einsatz beteiligten Soldaten aller Nationen.
Die Teilnahme der FNCFramework Nations Concept Role 2B an Vigorous Warrior 2017 ist aus einem weiteren wichtigen Grund besonders. Die Behandlungseinrichtung wird durch das NATONorth Atlantic Treaty Organization Centre of Excellence for Military Medicine (NATONorth Atlantic Treaty Organization MilMedCoE) evaluiert. Grundsätzlich soll mit einer Evaluation festgestellt werden, ob die Einrichtung als einsatzbereit angesehen werden kann oder welche Mängel abzustellen sind, um dieses Ziel zu erreichen. Hier kommt es aber darauf an, das Evaluationsergebnis als Impuls für die weitere Entwicklung in den jeweiligen Projekten zu sehen und nicht als Zertifizierung einer möglichen Einsatzbereitschaft.
Um ein möglichst gutes Ergebnis bei dieser Evaluation zu erhalten, wurde seit Frühjahr 2016 in mehreren Workshops an einem verbindlichen Dokument in Form einer SOP gearbeitet, um alle angewandten Verfahren in einer solchen Behandlungseinrichtung zu harmonisieren und so ausführlich wie nötig zu beschreiben.
Der Lohn der Mühen ist schließlich eine Mustervorlage, die die Zusammenarbeit in einer solchen multinationalen Einrichtung regelt und somit entscheidend vereinfachen kann.
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