Die Bundeswehr und insbesondere die Logistik stehen vor sicherheitspolitischen Veränderungen. Die veränderte sicherheitspolitische Lage der vergangenen Jahre zwingt Deutschland und die NATONorth Atlantic Treaty Organization Partner, neue Wege zu beschreiten, um personelle, materielle und zeitliche Ressourcen wirtschaftlicher und effektiver einzusetzen.
Ein möglicher Weg dazu ist die intensivere Zusammenarbeit mit den verbündeten Streitkräften. So ist mit dem von Deutschland initiierten Rahmennationskonzept (englisch: Framework Nation Concept) eine Möglichkeit der Lastenverteilung zwischen großen und kleinen Nationen geschaffen worden. Die konkrete Ausgestaltung der einzelnen Fähigkeitsbereiche (Cluster) liegt für insgesamt sechs Schwerpunkte bei der Streitkräftebasis – so auch für den Bereich der Logistik.
Herr Major Holldack, Sie sind der Experte im Logistikkommando der Bundeswehr, wenn es um die Arbeit im „Framework Nations Concept Cluster Logistics“ geht. Worin liegen die Grundlagen für dieses Vorhaben?
Unter dem Eindruck der Russland-Ukraine-Krise fassten die Staats- und Regierungschefs der damals 28 NATONorth Atlantic Treaty Organization-Staaten auf ihrem Gipfeltreffen in Wales 2014 weitreichende Beschlüsse zur Zukunft der Allianz. Im Schwerpunkt einigte man sich auf eine erhöhte Einsatzbereitschaft der NATONorth Atlantic Treaty Organization Response Force, um einerseits ein klares Signal der „Rückversicherung“ an Polen und die baltischen NATONorth Atlantic Treaty Organization-Mitglieder zu senden und andererseits ein glaubwürdiges Signal der wirksamen Selbstverteidigung zu geben. Die damit einhergehenden militärischen Herausforderungen kann jedoch kein NATONorth Atlantic Treaty Organization-Mitglied mehr alleine bewältigen.
Zur Lösung dieser Herausforderungen stützen sich verschiedene Nationen unter anderem auf das von Deutschland eingebrachte Framework Nations Concept (FNCFramework Nations Concept) ab. Deutschland hat dabei als Rahmennation unter anderem die Führungsrolle im Cluster Logistics. Unter der Federführung des Logistikkommandos der Bundeswehr wird seit 2015 Partnernationen eine Plattform für das Einbringen ihrer logistischen Expertise und Fähigkeiten geboten.
Wie kann man sich das genau vorstellen?
Konkret wird am Fortschritt der logistischen Steuerung und Unterstützung von NATONorth Atlantic Treaty Organization-Operationen gearbeitet. Die Steuerung übernimmt ein verlegbares Joint Logistics Support Group Headquarters (JLSG HQHeadquarter). Dieses, im Grundsatz multinational zusammengestellte und auf die jeweilige Mission speziell angepasste logistische Headquarter, koordiniert die gesamten logistischen Aktivitäten auf taktischer Ebene in einer NATONorth Atlantic Treaty Organization-Operation.
Die internationalen Vertreter des Clusters Logistics analysieren logistische Herausforderungen im Umfeld des erwähnten JLSG HQHeadquarter und erarbeiten gemeinsame Lösungsvorschläge, die dann in die jeweiligen nationalen Planungen integriert werden. Deutschland übernahm im Rahmen der Arbeiten im Cluster die Verantwortung für die Aufstellung und Implementierung eines JLSG Coordination and Training Centers – einer Ausbildungseinrichtung für die multinationale Einheit. Die Projektarbeit zur Umsetzung wurde hauptsächlich durch Korvettenkapitän Dr. Mathias Jahn koordiniert.
Herr Korvettenkapitän Jahn, im Oktober dieses Jahres wird dieses Joint Logistics Support Group Coordination and Training Centre (JCTC) aufgebaut. Wie kam es zu dieser Entscheidung?
Vor dem von meinem Kameraden erläuterten Hintergrund sowie den Auswertungen der Übung Joint Derby 2016, in der wir genau diese multinationale logistische Aufgabe zum ersten Mal geübt haben, wurden vor allem drei Aspekte deutlich:
Erstens, dass eine Vielzahl an gesetzlichen Bestimmungen, vertraglichen Regeln, Verfahrensabläufen und technischen Anwendungen auf internationaler und nationaler Ebene existieren, die durch das Personal des JLSG HQHeadquarter beachtet, koordiniert, angewandt und bisweilen weiter entwickelt werden müssen.
Zweitens ist der Personalaufwuchs eines JLSG HQHeadquarter im Einsatz zeitraubend und von der multinationalen Abstellung von speziell ausgebildetem Personal abhängig. Dies ohne Unterstützung einer darauf spezialisierten Ausbildungseinrichtung zu leisten, ist nahezu unvorstellbar.
Drittens zeigte sich ganz konkret, dass auch rein materiell ein Defizit hinsichtlich des benötigten verlegbaren Gefechtsstands für das JLSG HQHeadquarter existiert.
Die Gründung des Training Centers JCTC ist also ein Schritt, diese Defizite zu beheben?
Mit der Aufstellung des JCTC übernimmt Deutschland die von ihm erwartete Führungsverantwortung im Cluster Logistik und beweist Umsetzungsstärke im Feld dringend benötigter NATONorth Atlantic Treaty Organization-Fähigkeiten. Wir schaffen eine für die Bündnismitglieder und -partner offene Ausbildungs- und Weiterentwicklungseinrichtung für Joint Logistic Support. Darüber hinaus werden wir mittelfristig auch einen verlegefähigen Gefechtsstand schaffen. Im Ergebnis wird damit ein wichtiger Beitrag zur Erhöhung der Verfügbarkeit, Interoperabilität und Wirksamkeit des JLSG HQHeadquarter zur Steuerung der logistischen Unterstützung im Einsatz geleistet - im Gesamtbild der NATONorth Atlantic Treaty Organization-Logistik sind das nicht zu unterschätzende Fähigkeiten zur Gewährleistung der höheren Einsatzbereitschaft.
Wo soll es in der Zukunft hingehen? Was ist das geplante Ziel?
Die intensive zwölfmonatige Arbeit zur Herstellung einer ersten Anfangsbefähigung des Training Centers wird sich noch in diesem Jahr auszahlen. So wird bereits im Dezember die erste Ausbildung stattfinden.
Nach einer circa einjährigen Aufwuchsphase wird es ab 2019 der Kernauftrag des JCTC sein, im Bereich der multinationalen logistischen Führungsverfahren nach international zertifizierten Standards das für den Einsatz im JLSG HQHeadquarter vorgesehene Personal auszubilden und in Übung zu halten.
Das Interview führte Oberstleutnant Michael Weckbach
Das Framework Nation Concept wurde 2014 auf dem NATONorth Atlantic Treaty Organization-Gipfeltreffen in Wales durch die Unterzeichnung einer Vereinbarung von zehn Mitgliedstaaten ins Leben gerufen. Hier einigten sich die Unterzeichner darauf, in multinationalen Arbeitsgruppen (sogenannten Clustern) gemeinsam an der Entwicklung von durch die NATONorth Atlantic Treaty Organization benötigten Fähigkeiten zu arbeiten. Die Streitkräftebasis trägt die Verantwortung für die Cluster Logistik, ABCAtomar, Biologisch, Chemisch-Abwehr, CIMICCivil Military Co-Operation und die derzeit in Vorbereitung befindlichen möglichen neuen Clustern in den Bereichen Feldjägerwesen, enhanced Host Nation Support und Spezialpioniere. |
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