Die Koordinierungsstelle für Extremismusverdachtsfälle im BMVgBundesministerium der Verteidigung hat ihren Jahresbericht 2021 veröffentlicht. Demnach ist im vergangenen Jahr die Zahl der als Extremisten erkannten Personen nur leicht auf 17 gestiegen. Insgesamt ist die Sensibilität in der Bundeswehr gestiegen, extremistische Verdachtsfälle zu melden.
Der Bericht zeichnet ein ausführliches Lagebild zu den Extremismusverdachtsfällen innerhalb der Bundeswehr. Er dient der Unterrichtung der Leitung des Verteidigungsministeriums, des parlamentarischen Raumes und der Öffentlichkeit. Es ist der nunmehr dritte Bericht, der von der Koordinierungsstelle für Extremismusverdachtsfälle veröffentlicht wurde. Er deckt den Zeitraum vom 1. Januar bis 31. Dezember 2021 ab.
Im Berichtsjahr 2021 wurde in insgesamt 1.452 Verdachtsfällen gegen mutmaßliche Extremisten ermittelt. Dabei wurden 688 Fälle neu aufgenommen (Neuaufnahmen im Jahr 2020: 574). Trotz einer erneut hohen Anzahl an Verdachtsfällen im Berichtszeitraum ist die Gesamtzahl der erkannten Extremistinnen und Extremisten und der Personen, bei denen Zweifel an der Verfassungstreue bestehen, weiterhin auf einem sehr niedrigen Niveau.
Die hohe Anzahl an Verdachtsfällen beruht auf einem sehr hohen Meldeaufkommen aus der Truppe und ist somit ein Beleg für die große Sensibilität in der Bundeswehr für das Thema. Auch gibt es mit Blick auf den Bericht keine Hinweise auf eine organisierte Unterwanderung der Bundeswehr durch Extremistinnen und Extremisten oder Zweifel an der Loyalität der Bundeswehr insgesamt zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung.
Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr unterliegen als Staatsbürger in Uniform der Treuepflicht und müssen sich zur Verteidigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung Deutschlands bekennen. Bei jedem Verdacht auf Extremismus wird ermittelt.
Zum Stichtag 31. Dezember 2021 wurden insgesamt 17 Personen im Geschäftsbereich des BMVgBundesministerium der Verteidigung als Extremisten bearbeitet, zum Stichtag 31. Dezember 2020 waren es insgesamt 15. Es ist also in 2021 ein leichter Anstieg zu verzeichnen. Elf Personen wurden 2021 neu als Extremisten erkannt, 2020 waren es sieben. Erfreulich: 110 Bearbeitungen von Verdachtsfällen endeten mit dem Ergebnis „Verdacht nicht mehr begründet“, 2020 waren es 97.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfVBundesamt für Verfassungsschutz) hat im April 2021 den neuen Phänomenbereich „Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates“ eingerichtet. Der Begriff der „verfassungsschutzrelevanten Delegitimierung des Staates“ bezeichnet phänomenologisch eine neue Fallgruppe extremistischer Bestrebungen, die unter der herkömmlichen Klassifizierung – etwa in Rechtsextremismus oder Linksextremismus – nicht adäquat zuzuordnen ist. In dieser Bezeichnung kommt die Abgrenzung zur – auch harten – Kritik an Regierungshandeln oder -mitgliedern durch das qualifizierende Adjektiv „verfassungsschutzrelevant“ zum Ausdruck.
Extremismusabwehr innerhalb der Bundeswehr ist eine ganzheitliche Aufgabe, die unterschiedliche Zuständigkeitsbereiche betrifft und bindet.Aus dem Jahresbericht 2021 der Koordinierungsstelle für Extremismusverdachtsfälle im BMVgBundesministerium der Verteidigung
In dem Bericht heißt es weiter: Effektive Extremismusabwehr könne nur funktionieren, wenn sämtliche Stellen des Wirkverbundes – bestehend aus dem MADMilitärischer Abschirmdienst, der Personalführung und den Disziplinarvorgesetzten sowie Dienstvorgesetzten und den Rechtsberaterinnen und Rechtsberatern sowie den Wehrdisziplinaranwaltschaften (RB/WDA) – zusammenarbeiten und ihre Maßnahmen aufeinander abstimmen.
Extremisten und Extremistinnen in den Streitkräften werden konsequent verfolgt und möglichst schnell aus der Bundeswehr entfernt. „Es gilt null Toleranz gegenüber jeder Form von Extremismus“, betonte Verteidigungsministerin Christine Lambrecht zu Jahresbeginn im Deutschen Bundestag. Ein Wegschauen, eine falsch verstandene Kameradschaft dürfe es nicht geben.
Sie kündigte dabei auch eine Reform der soldatenrechtlichen Vorschriften an. Denn zu einer starken Bundeswehr gehöre, dass darin jeder und jede mit beiden Beinen fest auf dem Boden des Grundgesetzes stehen müssen. Um künftig Extremistinnen und Extremisten noch schneller aus der Bundeswehr entfernen zu können, werden derzeit notwendige Anpassungen des Dienst- und Arbeitsrechtes geprüft.
In diesem Kontext wurden umfangreiche Maßnahmen auf personeller und organisatorischer Ebene bereits eingeleitet und teilweise bereits umgesetzt. Vorschriften und Arbeitshilfen für die Truppe sind aktualisiert worden, ergänzt oder neu geschaffen. Eine abschließende Umsetzung aller Maßnahmen und eine daraus resultierende spürbare und mit Zahlen belegbare Verbesserung wird jedoch weitere Zeit in Anspruch nehmen. Darauf weist der Bericht hin.
Koordinierungsstelle für Extremismusverdachtsfälle im BMVgBundesministerium der Verteidigung |
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Die Koordinierungsstelle für Extremismusverdachtsfälle (KfE) wurde im Jahre 2019 eingerichtet, um Extremismus in der Bundeswehr besser bekämpfen zu können. Ziel ist es, alle Akteure der Extremismusbekämpfung wie den MADMilitärischer Abschirmdienst, das Verteidigungsministerium, die Rechtspflege der Bundeswehr und das Bundesamt für Personalmanagement der Bundeswehr zu verknüpfen und Parlament und Öffentlichkeit regelmäßig über die gemeinsamen Anstrengungen zu informieren. Die KfE gewährleistet den Informationsfluss in einem Wirkverbund und trägt dafür Sorge, dass die Maßnahmen der zuständigen Stellen inhaltlich und zeitlich aufeinander abgestimmt sind. Übergeordnetes Ziel bei der Koordinierung der Extremismusverdachtsfälle ist es, die nachrichtendienstlichen Erkenntnisse des MADMilitärischer Abschirmdienst in zeitgerechte truppendienstliche, personalrechtliche und disziplinare Maßnahmen umzusetzen. Diese Maßnahmen können nach den gesetzlichen Vorgaben auch die Entfernung aus dem Dienstverhältnis zur Folge haben. Seit 2019 wurden rund 180 Personen wegen Extremismus aus der Bundeswehr entlassen. |
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