Mit der European Sky Shield Initiative schließen sich aktuell 21 europäische Staaten für eine Stärkung der gemeinsamen Luftverteidigung zusammen. Um schnell Ergebnisse zu erzielen, werden bereits erste konkrete Maßnahmen vorbereitet, die umgesetzt werden sollen. Welche das sind, wer beteiligt ist und welche Vorteile für alle beteiligten Nationen entstehen, wird im Folgenden beantwortet.
Warum gibt es die European Sky Shield Initiative?
Der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine hat die Bedeutung einer umfassenden Verteidigungsfähigkeit gegen das gesamte Spektrum militärischer Bedrohungen verdeutlicht. Russland setzt unbemannte Systeme, ballistische Raketen, Marschflugkörper und Hyperschallflugkörper vielfach in der Ukraine ein. Dies führt vor Augen, wie wichtig eine leistungsfähige Luftverteidigung ist, um zukünftigen Bedrohungen entgegen wirken zu können.
Mit der European Sky Shield Initiative – kurz ESSIEuropean Sky Shield Initiative – wollen sich die europäischen NATONorth Atlantic Treaty Organization-Staaten besser gegen Angriffe durch Geschosse, Flugkörper oder Luftfahrzeuge wappnen. Ziel der Initiative ist also die Stärkung des europäischen Pfeilers in der gemeinsamen Luftverteidigung der NATONorth Atlantic Treaty Organization.
Dafür müssen bereits vorhandene Fähigkeiten ausgebaut und existierende Fähigkeitslücken geschlossen werden. Um das möglichst schnell und effizient zu erreichen, haben sich bislang 19 Staaten zusammengeschlossen. Sie wollen die entsprechenden Systeme gemeinsam beschaffen, nutzen und warten.
Wer beteiligt sich?
15 Nationen haben am 13. Oktober 2022 im Brüsseler NATONorth Atlantic Treaty Organization-Hauptquartier das Abkommen für die European Sky Shield Initiative unterzeichnet. Diese sind neben Deutschland: Belgien, Bulgarien, Estland, Finnland, Großbritannien, Lettland, Litauen, Niederlande, Norwegen, Rumänien, Slowakei, Slowenien, Tschechien und Ungarn. Die Initiative steht auch weiteren interessierten Staaten offen. Mittlerweile haben sich sechs weitere Nationen angeschlossen. Die jüngsten Mitglieder sind Griechenland und die Türkei.
Wie lassen sich ESSIEuropean Sky Shield Initiative und NATONorth Atlantic Treaty Organization vereinbaren?
Mit ESSIEuropean Sky Shield Initiative wird der europäische Pfeiler in der NATONorth Atlantic Treaty Organization gestärkt. Es ist beabsichtigt, die ausgebauten oder neu geschaffenen Fähigkeiten der gemeinsame Beschaffungsinitiative in die vom NATONorth Atlantic Treaty Organization-Befehlshaber für Europa geführten Luftverteidigung des NATONorth Atlantic Treaty Organization-Gebietes einzubinden.
Was bedeutet Luftverteidigung?
Mit Luftverteidigung ist die Fähigkeit gemeint, sich vor Angriffen aus der Luft zu schützen beziehungsweise diese abwehren zu können – beispielsweise mit Flugkörpern, Kanonen oder Lasern. Dafür gibt es verschiedene militärische Systeme mit unterschiedlichen Reichweiten, die komplementär, also sich gegenseitig ergänzend, eingesetzt werden. Militärisch wird hier von Abfangschichten gesprochen, also von verschiedenen Entfernungen und Höhen, in denen die eingesetzten Systeme wirken können.
Was sind Abfangschichten?
Mit Abfangschichten sind die verschiedenen Distanzen in Weite und Höhe gemeint, in denen Luftfahrzeuge und ähnliche Bedrohungen abgewehrt, also abgefangen werden können. Drei Bereiche werden hierbei definiert:
In allen drei Bereichen bestehen Fähigkeitslücken, die durch ESSIEuropean Sky Shield Initiative geschlossen werden sollen beziehungsweise sind bereits Fähigkeiten vorhanden, die aber ausgebaut oder gestärkt werden sollen.
Worin bestehen die Fähigkeitslücken?
Fähigkeitslücken und Bedarfe zum Fähigkeitsausbau bestehen in der kurzen bis mittleren Reichweite mit Blick auf mögliche Luftangriffe im Nahbereich, wozu auch Bedrohungen durch Drohnen gehören. In diesem Nah- und Nächstbereich sollen bestehende Luftverteidigungssysteme ersetzt werden.
Derzeit kommen hier die Systeme Ozelot und MANTISModular, Automatic and Network capable Targeting and Interception System (Modular, Automatic and Network capable Targeting and Interception System) zum Einsatz. Unter anderem soll dort künftig IRIS-T SLM Infra Red Imaging System Tail Surface Launched Medium Range wirken. In der weitreichenden Luftverteidigung verfügt die Bundeswehr bereits über das leistungsfähige Waffensystem PatriotPhased Array Tracking Radar to Intercept on Target. Der Fähigkeitserhalt hierfür ist bis weit über das Jahr 2030 hinaus beabsichtigt, eine Systemmodernisierung ist ebenfalls Teil von ESSIEuropean Sky Shield Initiative.
Eine Lücke besteht in der Abwehr von weitreichenden ballistischen Raketen. Diese muss schnell geschlossen werden, insbesondere, da Russland bereits über diese Waffen verfügt. Deutschland muss in der Lage sein, sich schneller als bisher geplant gegen die Bedrohung durch Flugkörper mit Reichweiten von mehr als 1.000 Kilometern zu schützen. Hierfür wird das israelische Luftverteidigungssystem Arrow 3 beschafft.
Eine Abwehr von Marschflugkörpern einschließlich hypersonischer Flugkörper ist aufgrund der niedrigen Flughöhe und damit einer sehr späten Erfassung nur im Sinne eines Schutzes einzelner Objekte, hier beispielsweise mit dem System PatriotPhased Array Tracking Radar to Intercept on Target oder IRIS-T SLM Infra Red Imaging System Tail Surface Launched Medium Range möglich. Ein umfassender Schutz in der Fläche ist enorm kostspielig und nur mit einer Vielzahl an Systemen möglich und verdeutlicht die Notwendigkeit eines multinationalen Ansatzes.
Wie soll das umgesetzt werden?
Die Nationen wollen gemeinsam die entsprechenden Waffensysteme beschaffen und deren Betrieb sicherstellen. Dabei wird natürlich darauf geachtet, welches Land welchen Bedarf hat. Durch die gemeinsame Beschaffung werden die Interoperabilität zwischen den einzelnen Nationen und auch der operative Einsatzwert im Rahmen der NATONorth Atlantic Treaty Organization erhöht, da sich die Länder beispielsweise gegenseitig mit den Systemen und der entsprechenden Munition unterstützen können.
In Sachen Finanzierung schlägt sich die Zusammenarbeit ebenfalls positiv nieder: Durch die gemeinsame Beschaffung werden Kosten gespart, da die Abwehrsysteme gleich in höherer Stückzahl geordert werden können. Gemeinsame logistische Konzepte sowie gemeinsame Instandsetzung und Materialerhaltung können zudem die Betriebskosten reduzieren. Jede Nation finanziert hierbei eigene Anteile.
Was sind die ersten Maßnahmen?
Die Nationen beabsichtigen beispielsweise, gemeinsam das moderne Luftverteidigungssystem IRIS-T SLM Infra Red Imaging System Tail Surface Launched Medium Range, das aktuell auch bereits in der Ukraine zum Einsatz kommt und sich dort bewährt, oder zusätzliche Lenkflugkörper für das Flugabwehrsystem PatriotPhased Array Tracking Radar to Intercept on Target zu kaufen. Weitere Schritte werden dann folgen. Da zeitnah erste Ergebnisse erzielt werden sollen, liegt der Fokus zunächst auf marktverfügbaren oder bereits entwickelten Systemen.
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