Krisenprävention, Konfliktlösung, Friedenskonsolidierung: Mit der Ertüchtigungsinitiative der Bundesregierung sollen Partnerstaaten unterstützt werden, Verantwortung für die eigene Sicherheit zu übernehmen. Kooperationsprojekte können etwa Reformen des Sicherheitssektors, Hilfe bei der Grenzsicherung oder Maßnahmen zur Abrüstung und Rüstungskontrolle sein.
2016 wurde für die Ertüchtigungsinitiative im Bundeshaushalt erstmals ein Budget von 100 Millionen Euro bereitgestellt. Das Projekt erfährt große Zustimmung und ist 2017 um 30 Millionen Euro erhöht worden. Das Besondere dabei: Das Auswärtiges Amt (AAAuswärtiges Amt) und das Verteidigungsministerium (BMVgBundesministerium der Verteidigung) beschließen gemeinsam, für welche Projekte das Geld ausgegeben werden soll. Wie die Zusammenarbeit in der Praxis abläuft, erklären Ferdinand von Weyhe und Georg Schulze Zumkley (AAAuswärtiges Amt) sowie Oberstleutnant Jürgen Fischer (BMVgBundesministerium der Verteidigung).
Wie kam es zu diesem gemeinsamen Titel?
Schulze Zumkley: Die Planungen dafür haben 2012 begonnen. Deutschland hatte sich zunächst dafür engagiert, ein solches Projekt auf europäischer Ebene auf den Weg zu bringen. Weil die Mühlen dort allerdings langsam mahlen, haben wir das Programm parallel in Berlin gestartet und sind hier schneller vorangekommen.
Wie werden Kooperationsländer ausfindig gemacht?
Schulze Zumkley: Die Länder werden anhand sicherheitspolitischer Kriterien festgelegt. Dabei geht es vor allem um Stabilität in unserer Nachbarschaft, denn Sicherheit ist Voraussetzung für Entwicklung. Als Schwerpunktländer hat die Bundesregierung den Irak, Tunesien, Mali, Nigeria und Jordanien identifiziert.
Von Weyhe: Dazu kommen Regionalorganisationen wie die ECOWASEconomic Community of West African States, und auch die G5 Sahel ist im Kommen. Hier helfen wir beim Aufbau von Strukturen. Die Schwerpunktländer sind auch im zweiten Jahr der Ertüchtigungsinitiative dieselben geblieben. Das ist aber nicht in Stein gemeißelt: Wenn sich die Lage ändert, können wir flexibel auf die Entwicklung reagieren.
Wie werden in den ausgesuchten Ländern Projekte ausfindig gemacht, die gefördert werden?
Fischer: Wir haben dank der Einsatzkontingente einen guten Blick auf die Regionen. Aktuell werben wir auch für die Initiative, um sie bekannter zu machen, und sind für Vorschläge für sinnvolle Projekten immer offen. Dazu erhalten wir Tipps von unseren Militärattachés und militärischen Beratern, die ebenfalls sehr gut vernetzt sind.
Von Weyhe: Wir erhalten zudem Vorschläge von unseren Auslandsvertretungen sowie im Ausland engagierten Stiftungen und Organisationen. Wenn wir Vorschläge gesammelt haben, fragen wir nochmal bei unseren Länderreferaten und Botschaften nach, ob die Projekte sinnvoll sind.
Haben Sie ein Beispiel?
Von Weyhe: Beim MINUSMAMission Multidimensionnelle Intégrée des Nations Unies pour la Stabilisation au Mali-Einsatz in Mali gibt es etwa ein deutsches Polizeiteam, das die Polizeiakademie bei der Durchführung von Aus- und Fortbildungsmaßnahmen unterstützt. Dabei werden unter anderem Klassenräume mit polizeilichen Spezialequipment, wie Spurensicherungskoffer und Dokumentenprüfgeräte ausgestattet.
Fischer: Ein anderes Beispiel: Wir unterstützen die tunesischen Streitkräfte bei der Beschaffung von Instandsetzungs- und Bergefahrzeugen (Pioniergerät und Fahrzeugkrane). Damit soll die Einsatzbereitschaft der tunesischen Armee insbesondere im schwierigen Gelände im Süden des Landes verbessert werden.
Welche Bedingungen sind an eine Kooperation geknüpft?
Fischer: Grundsatz ist für uns das Prinzip local ownership. Die Länder erkennen selbst ihre Bedürfnisse und formulieren diese. Wir prüfen dann, ob die Anforderungen zu der Region passen. Ein Polizist in Mali hat andere Aufgaben und arbeitet unter anderen klimatischen Bedingungen als einer in Deutschland. Die Zusammenarbeit ist einerseits auf Vertrauen angelegt, andererseits auch auf Dauerhaftigkeit. Wenn wir für die Polizei in Niger Autos kaufen, dann müssen die auch bei der Polizei bleiben. Wenn die plötzlich von jemand anderem genutzt werden, werden wir die Kooperation sicher nicht fortsetzen.
Von Weyhe: Wir geben auch kein Geld, sondern kaufen Ausstattung, bauen vor Ort und beraten. Und am Ende eines Projektes wollen wir Rechnungen sehen. Das ist unsere Verantwortung für deutsches Steuergeld. Doch wir haben noch eine weitere Verantwortung, denn wir unterstützen teilweise ja auch mit Munition und anderem gefährlichem Material. Hier müssen wir sicherstellen, dass diese Dinge nicht in falsche Hände kommen.
Wie unterscheidet sich Ertüchtigung von Entwicklungszusammenarbeit?
Von Weyhe: Vor allem auf der Zeitachse. Wir wollen schnell wirken und stabilisieren. Außerdem arbeiten wir im Sicherheitsbereich, der ja klassischerweise kein Entwicklungsthema ist. Wir wissen auch: Manche Projekte brauchen Zeit. Wenn die Polizei etwa geschützte Fahrzeuge bekommt, kann sie wieder Patrouillen fahren. Doch das bedeutet nicht zwangsläufig, dass die Bevölkerung mehr Vertrauen in die Sicherheitskräfte bekommt. Deswegen ist bei Ausbildungsmissionen rechtsstaatliches Handeln immer ein Thema. Doch solche Veränderungen brauchen Zeit. Das kann jedoch kein Grund sein, nicht doch irgendwo anzufangen.
Wie werden die Projekte evaluiert?
Von Weyhe: Wichtig für die Evaluierung ist es, den Ausgangspunkt zu bestimmen. Das ist bei Materiallieferungen einfach. Bei Trainingsmaßnahmen wird es schon schwieriger. Wir können zwar messen, wie viele Menschen wir trainiert haben, aber welchen Beitrag an Stabilisierung leistet das letztlich genau? Politische Stabilität ist schwer messbar. Dennoch haben wir die Ergebnisse unserer Projekte im Blick.
Fischer: Ergebnisse werden auf jeden Fall erst in mehreren Jahren messbar sein.
Welche Erfahrungen ziehen AAAuswärtiges Amt und BMVgBundesministerium der Verteidigung aus einem Jahr Zusammenarbeit bei Ertüchtigung?
Schulze Zumkley: Die Teams der beiden Häuser, die sich um die Projekte kümmern, sind auf jeden Fall enger zusammengerückt. Es ist ja auch etwas Besonderes: Es gibt kaum einen anderen Haushaltstitel, der von zwei Ressorts gemeinsam verantwortet wird. Der Topf wird nicht einfach geteilt, sondern beide Häuser erstellen gemeinsam eine Liste mit Projekten. Wichtig ist allerdings auch: Wir dürfen die Initiative nicht mit Erwartungen überfrachten. Mit 130 Millionen Euro kann man nicht die Probleme der Welt lösen – aber man kann einen Beitrag dazu leisten.
Von Weyhe: Wir schätzen die effiziente Zusammenarbeit sehr. Wenn Änderungen nötig sind, können wir uns mit wenig Bürokratie auf Zuruf austauschen.
Fischer: Für uns hat die Zusammenarbeit bei der Ertüchtigung gezeigt: Wir haben mit dem Auswärtigen Amt einen guten Partner. Denn das ist ein Partner, der mitzieht.
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