Das Treffen des Rates der Europäischen Union auf Ministerebene in Brüssel am 11. Dezember könnte ein Meilenstein auf dem Weg zur Verteidigungsunion werden. Bereits Mitte November hatten sich 23 von insgesamt 28 Staaten der Europäischen Union darauf geeinigt, im Bereich Verteidigung enger zusammenzuarbeiten. Nach derzeitigem Stand werden sich lediglich Dänemark, Malta sowie Großbritannien, das ohnehin den EUEuropäische Union-Austritt anstrebt, nicht beteiligen. Irland und Portugal haben ihre Absicht bekundet, am 11. Dezember ebenfalls in die gemeinsame Verteidigung mit einzusteigen. Das Vorhaben trägt auf EUEuropäische Union-Ebene die englische Bezeichnung „Permanent Structured Cooperation“ (PESCOPermanent Structured Cooperation), auf Deutsch heißt es „Ständige Strukturierte Zusammenarbeit“.
Die Möglichkeit eine PESCOPermanent Structured Cooperation zu beschließen wurde zwar bereits im Jahr 2007 von der EUEuropäische Union im Vertrag von Lissabon eingerichtet. Aber „die Bereitschaft, die Änderung zu wagen“, sei erst mit „Druck von innen und außen“ entstanden, erklärte Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen Mitte Oktober. Konkret nannte sie „Spannungen in unserer Nachbarschaft, die Krisen in der Ukraine und Nordafrika“ sowie den „Bürgerkrieg in Syrien und vor allem die Zunahme islamistischer Terroranschläge“. All dies habe „das Bedürfnis nach Sicherheit in unseren Ländern deutlich steigen lassen“, schrieb die Verteidigungsministerin in einem Gastbeitrag der „Wirtschaftswoche“. Als erste konkrete Maßnahme war bereits im Frühjahr 2017 eine gemeinsame europäische Kommandozentrale für Ausbildung- und Training eingerichtet worden. Nun folgen die gegenseitigen Verpflichtungen der PESCOPermanent Structured Cooperation-Mitgliedsstaaten, sich gemeinsam auszurüsten und aufzustellen.
Außenminister Sigmar Gabriel nannte das Abkommen einen „Meilenstein“. Der Wehrbeauftragte, Hans-Peter Bartels, erklärte am 22. November in einem Interview die Ziele der Zusammenarbeit: Die EUEuropäische Union-Mitgliedsstaaten würden derzeit „alle ihre eigene Verteidigungspolitik“ verfolgen, „mit eigenen Institutionen, Ausbildungsinhalten, Organisationsstrukturen, Beschaffungswegen und eigener nationaler Ausrüstung. Das ist nicht effektiv, sondern nur teuer“. Es gebe zwar schon bi-nationale Zusammenarbeit, etwa deutsch-niederländisch, belgisch- niederländisch, französisch-deutsch, deutsch-tschechisch, rumänisch-deutsch. Diese Kooperationen könnten nun für die EUEuropäische Union-Verteidigungsunion als Aufbauelemente genutzt werden, „dann aber mit europäischer Steuerung“. Ziel ist die gemeinsame Nutzung und Bereitstellung von Material, Personal und Knowhow aller beteiligten Nationen.
Mit all diesen Maßnahmen gewinnt Europa ein beträchtlich größeres Potential an Handlungsfähigkeit und stärkt den europäischen Pfeiler in der Nato, was einem lang gehegten Wunsch der Nato-Verbündeten USA und Kanadas entspricht. „Es geht um Eigenständigkeit, die uns nicht von den Amerikanern entfernt, sondern zu einem relevanten Partner macht“, unterstreicht von der Leyen das Ziel des PESCOPermanent Structured Cooperation-Beschlusses.
Konkret geht es darum, die Beweglichkeit der Truppen der EUEuropäische Union-Mitgliedsstaaten deutlich zu verbessern. Letztlich soll vor allem die grenzüberschreitende Verlegefähigkeit von Soldaten, militärischen Geräts und Flugzeugen innerhalb Europas so gesteigert werden. Hier gibt es derzeit noch Optimierungsbedarf. Etwa wenn es um Überflugrechte geht, um den Transport von Material oder ganz einfach um die Verlegung von Verbänden über mehrere Staatsgrenzen hinweg. In den weiteren Verhandlungen geht es somit primär um die Vereinfachung oder Beseitigung bürokratischer Hürden. Gleichzeitig erfolgt die Einrichtung mehrerer Zentren, um die Aufgaben zu bündeln.
Am 11. Dezember steht die Verabschiedung von 17 Projekten an, mit deren Umsetzung direkt begonnen werden soll. Deutschland etwa hat sich bereit erklärt, die Koordinierung von vier Projekten zu übernehmen. So wird unter deutscher Führung ein Netzwerk von Nachschubzentren (siehe Kasten) entstehen. Diese sogenannten Logistic Hubs sollen es in Krisenfällen ermöglichen, europäische Truppen erheblich schneller als bisher in Einsatzorte zu verlegen und mit dem nötigen Material nachhaltig zu versorgen. Hierfür bedarf es einer Harmonisierung der nationalen Regularien und Prozesse, zum Beispiel im Bereich Zoll und Gefahrguttransport. Bisher unterliegen grenzüberschreitende Militärtransporte strengeren Auflagen als die der Privatwirtschaft. Auch ein Hauptquartier für den Medizinischen Dienst und Leistungen unter Federführung der Bundeswehr wird einsatzbereit aufgebaut. Dieses European Medical Command soll unter anderem Sanitätsstandards harmonisieren, medizinische Fähigkeiten koordinieren und die Rettungskette verbessern.
Als drittes Projekt soll Deutschland die Führung in der Ausbildung von Trainern und Mentoren für EUEuropäische Union Ausbildungs- und Trainingsmissionen übernehmen. An dem Kompetenz- und Trainingszentrum wollen sich mindestens auch Spanien, Italien und Frankreich beteiligen. Mit dieser Maßnahme sollen Soldaten der PESCOPermanent Structured Cooperation-Staaten vor allem einheitlich ausgebildet werden und im Anschluss in einer Datenbank für Ausbildungsmissionen der EUEuropäische Union vorgehalten werden. Ein viertes gemeinsam mit Italien, Spanien und Frankreich eingebrachtes Projekt dient der Identifizierung von notwendigen Fähigkeiten und Kräften für militärische EUEuropäische Union Operationen zur Krisenbewältigung auf Grundlage einer gemeinsamen Bedrohungsanalyse.
Die beiden auf Operationen und Missionen ausgerichteten Projekte werden die Krisenbewältigung der EUEuropäische Union nachhaltig verbessern. Verteidigungsministerin von der Leyen unterstreicht die Qualität der beiden Projekte, indem sie betont, es sei wichtig, eine „Armee der Europäer“ aufzustellen, „die, wenn es eine Krise gibt, wenn Europa gefragt ist, dann auch schnell einsatzfähig ist“. Zwei weitere herausgehobene Projekte bündelt die Abwehr von Cyberangriffen. Darum werden sich Litauen und Griechenland federführend kümmern.
Auf militärischer Ebene ist das Ziel von PESCOPermanent Structured Cooperation, bei Krisen gemeinsam beträchtlich schneller als bisher handeln zu können. Der übergeordnete Mehrwert liegt jedoch auch auf politischer Ebene: Mit der EUEuropäische Union-Verteidigungsgemeinschaft erlebt der EUEuropäische Union-Integrationsprozess einen neuen Boost. Den Bürgern der Mitgliedsländer wird konkret vor Augen geführt, dass die Gemeinschaft in der Lage ist, für Sicherheit und Stabilität in und für Europa selbst zu sorgen – wenn nötig auch jenseits der EUEuropäische Union-Außengrenzen. Das schafft Vertrauen der Bürger in die Handlungsfähigkeit der Europäischen Union.
Logistik (Network of Logistic Hubs in Europe and Support to Operations) circa ab 2024
Sanitätszentrum (European Medical Command) circa ab 2020
Trainingszentrum (European Union Training Mission Competence Centre (EU TMCCEuropean Union Training Mission Competence Centre)) circa ab 2019
Krisenreaktionsinitiative (EUFOREuropean Union Force Crisis Response Operation Core, CROCCrisis Response Operation Core) circa ab 2019
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