„Den Sonnenaufgang zu sehen, auf den Niger zu blicken und mit meinen Männern und Frauen zusammen zu laufen, das ist ein großartiges Erlebnis.“ Peter Mirows Augen blitzen, am liebsten ist der General direkt bei der Truppe. Mit über 100 Soldatinnen und Soldaten ist er durch die Hügel um Koulikoro gelaufen, Spaniern, Deutschen, Tschechen. Wenn irgend möglich fährt er dafür einmal in der Woche noch vor der Morgendämmerung aus Bamako ins Koulikoro Training Camp (KTCKoulikoro Training Center).
Normalerweise säße der 50-jährige jetzt in Bamako im Büro. Morgenlage mit seinem Stab. Auch der ist international besetzt, mit Franzosen, Briten, Österreichern, Spaniern und Deutschen. Seit November 2018 führt Brigadegeneral Peter Mirow als Mission Commander die European Union Training Mission Mali (EUTMEuropean Union Training Mission Mali). „Ich bin hier als Soldat, als Offizier, als deutscher General. Aber ich bin nicht nur Militär, ich habe auch ständigen Kontakt mit Vertretern von Politik und Diplomatie“, erklärt Mirow. „Ich habe hier Angehörige aus 27 verschiedenen Nationen, die ein multinationales Hauptquartier und Trainingsteam bilden.“
Einmal wöchentlich spricht General Mirow per Videokonferenz mit General Esa Pulkkinen. Er führt aus Brüssel auf oberster Ebene die Operationen der EUEuropäische Union im Rahmen der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik.
An diesem Morgen macht General Mirow einen Truppenbesuch im „Centre d'Instruction de Koulikoro“. Hier werden malische Offiziere ausgebildet. Eingebettet in diese Garnison sind die EUTMEuropean Union Training Mission-Ausbilder. Die malische und die internationale Ausbildung laufen Seite an Seite. Bevor Mirow die verschiedenen Klassen besucht, geht’s zum Frühstück in die Truppenküche. Entspannt sitzt der Mission Force Commander mitten im Kontingent, plaudert mit einer deutschen Ärztin und einem irischen Trainer.
Kurz darauf steht er in einem großen Klassenzimmer. 57 malische Kadetten sitzen kerzengerade an dunklen Holzpulten. In ihren Gesichtern Spannung. „Es ist eine große Ehre für mich, hier sein zu können“, stellt der General sich auf Französisch vor. „Wir haben ein gemeinsames Ziel: zu stabilisieren und zu helfen.“
Counter Insurgency, der Kampf gegen Aufständische, ist das Thema dieser Klasse. Peter Mirow berichtet von eigenen Einsatzerfahrungen aus Afghanistan. „Als Militärs sind wir klare Fronten gewöhnt, einen Feind in Uniform. Counter Insurgency ist etwas komplett anderes.“ Gemeinsam mit Schulkommandeur Lieutenant-Colonel Kèba Sangaré diskutiert er mit den jungen Soldaten. Die Kadetten stehen auf, wenn sie antworten. Auf die Frage Mirows, wie es ihnen an der Schule gefalle, antwortet der Jüngste: „Wir profitieren sehr davon. Wir machen hier eine sehr gute Erfahrung und lernen jeden Tag Neues.“ Zum Schluss gibt Mirow den Kadetten noch mit auf den Weg: „Das Wichtigste ist die Bevölkerung. Sie müssen wir gewinnen. Wir können zwar Feinde bekämpfen, aber es ist besser, Herzen zu gewinnen.“
Die nächsten Stationen sind ein Basiskurs Orts- und Häuserkampf, die Sanitätsausbildung und der 14-wöchige Lehrgang zum Tactical Aircontroller. Immer wieder sucht Peter Mirow das Gespräch mit den Teilnehmern. „Dies ist ein ganz besonderer Kurs, sehr fordernd“, stellt er fest. „Einen Helikopter im Gefecht richtig einzuweisen, ist anspruchsvoll. Als Offizier habe ich diese Ausbildung auch durchlaufen. Bon courage!“
An einer Station kommt Mirow mit einem jungen Malier ins Gespräch, erkundigt sich nach dessen Einheit. Von der Luftwaffe käme er, antwortet der Soldat. „Ich bin Infanterist. Aber wir arbeiten zusammen“, sagt der General. „Meine Botschaft an Sie ist: Sie sind nicht allein.“ Das Training überzeugt den Mission Commander. Sowohl die Vermittlung der Themen durch die Ausbilder als auch die Wissbegier der malischen Soldaten.
Punkt Zwölf Uhr finden auf dem Paradeplatz die Feierlichkeiten des spanischen Kontingents zum Barbaratag statt. Seit rund 500 Jahren eine Tradition der spanischen Soldaten. Mitten in die Parade hinein ruft aus der Ferne der Muezzin zum Mittagsgebet. Man vergisst keine Sekunde, wo man ist. Gemeinsam mit deutschen und tschechischen Soldaten wird zum Klang von „La muerte no es el final“ der Gefallenen gedacht. In seiner Rede sagt Mirow auf Spanisch: „Die heilige Barbara wird von allen Nationen gefeiert. Die Schutzpatronin der Artillerie schützt auch vor Explosionen. Eine Gefahr, der wir uns hier gegenübersehen. Möge sie uns immer beschützen und den Weg zeigen.“ Die Leichtigkeit, mit der Mirow von einer Sprache in die andere wechselt, jedem seiner Soldaten echtes Interesse entgegenbringt, kommt an. Der General erfüllt die Internationalität der Mission mit Leben.
„Für mich ist es eine sehr erfüllende Aufgabe, an der Spitze dieser Mission zu stehen, weil ich hier nicht nur als Soldat agiere, sondern zusammenarbeiten kann mit ganz anderen Bereichen“, sagt Peter Mirow. Zurück in Bamako trifft er am Nachmittag den französischen Vizeadmiral Olivier Coupry. Das Gespräch dreht sich um die Zusammenarbeit zwischen EUTMEuropean Union Training Mission und anderen militärischen Organisationen.
Der letzte Termin des Tages führt ihn zum deutschen Botschafter Dietrich Becker. Dort geht es um Projekte der Entwicklungshilfe. „Das Militär allein kann niemals die Ursachen dieses Konfliktes beseitigen“, erklärt General Mirow. „Wir können Zeit gewinnen und so der Politik, der Gesellschaft, die Möglichkeit geben, Lösungen zu entwickeln.“
EUTMEuropean Union Training Mission Mali ist eine der Ausbildungsmissionen, die von der “Military Planning and Conduct Capability (MPCCMilitary Planning and Conduct Capability)“ in Brüssel geführt werden. Alle Missionen im Rahmen der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EUEuropäische Union werden hier abgestimmt. Das Kommando über die „MPCCMilitary Planning and Conduct Capability“ hat derzeit der finnische Generalleutnant Esa Pulkkinen. Er ist somit direkter Vorgesetzter der Kommandeure der EUEuropäische Union-Ausbildungsmissionen. Gleichzeitig führt er den Militärstab der Europäischen Union (European Military Staff, EUMS). Die MPCCMilitary Planning and Conduct Capability und der EUMS unterstehen dem Hohen Vertreter der EUEuropäische Union für Außen- und Sicherheitspolitik. Hauptaufgaben dieser Institutionen sind Frühwarnung, Lagebeurteilung und strategische Planung von EUEuropäische Union-geführten Operationen und Missionen. Von dort aus sollen im Krisenfall die multinationalen Streitkräfte bestimmt und aufgestellt werden, meist in Abstimmung mit der NATONorth Atlantic Treaty Organization. |
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