Gegenwärtig findet ein breit angelegter gesellschaftlicher Dialog zu politischen, ethischen und völkerrechtlichen Aspekten zum Thema bewaffnete Drohnen statt. Zu dieser Diskussion, die crossmedial und interaktiv geführt wird, hat das Bundesministerium der Verteidigung eine Reihe von Debatten und Informationsveranstaltungen unter Leitung des Parlamentarischen Staatssekretärs im BMVgBundesministerium der Verteidigung, Peter Tauber, stattfinden lassen.
Dieser laufende Prozess findet entlang der Vereinbarungen aus dem Koalitionsvertrag statt. Die Entscheidung über eine mögliche Bewaffnung von Drohnen für die Bundeswehr kann durch den Deutschen Bundestag im Anschluss gefällt werden. Tauber wird am Mittwoch in einer weiteren virtuellen Vorlesung mit Studentinnen und Studenten der Universität der Bundeswehr München zum Thema bewaffnete Drohnen diskutieren.
Die Redaktion der Bundeswehr hat im Vorfeld das folgende Interview mit Prof. Dr. Carlo Masala vom Institut für Politikwissenschaft der Universität der Bundeswehr München zu diesem gesellschaftlichen Debattenprozess geführt.
Welchen Eindruck haben Sie vom bisherigen Verlauf des gesellschaftlichen Diskussionsprozesses zum Thema bewaffnete Drohnen bekommen?
Anders als in den vergangenen Jahren erlebe ich die Debatte als „versachlicht“ und „aufrichtig“. Sowohl die Befürworter als auch die Skeptiker sind bereit, sich gegenseitig zuzuhören und Argumente auszutauschen. Früher hatte man eher den Eindruck, als ob sich beide Seiten in ihren ideologischen Schützengräben befänden und ein ernsthafter Austausch kaum möglich wäre.
Die Debatte zum Thema bewaffnete Drohnen löst in Deutschland mitunter starke Emotionen aus. Es besteht Bedarf an Versachlichung. Wie können Sie als Wissenschaftler dazu beitragen?
Die Aufgabe, die wir als Wissenschaftler in dieser Debatte erfüllen sollten, ist es, zu ihrer Versachlichung beizutragen. Fakten zu liefern, Argumente auf ihre logische Konsistenz hin zu überprüfen und Emotionen aus der wissenschaftlichen Debatte rauszuhalten. Aber auch den politischen Akteuren die Plattform zu bieten, ihre Argumente mit uns zu diskutieren. Nicht nur die Politik kann von der Wissenschaft lernen, sondern auch die Wissenschaft von der Politik. Deswegen ist der beständige Austausch zwischen beiden Sphären auch so wichtig, insbesondere auch, wenn es um solche Fragen, wie die Bewaffnung von Drohnen geht.
Dieser Debattenprozess zeichnet sich auch dadurch aus, dass er crossmedial, digital und in den sozialen Netzwerken geführt wird. Erleben wir hier eine neue Qualität politischer Willensbildung – wie ordnen Sie diese Entwicklung ein?
Die relative Hierarchielosigkeit der sozialen Medien ermöglicht es normalen Bürgern, einen Generalinspekteur oder einen Staatssekretär mal einfach direkt zu fragen – und dieser antwortet dann auch direkt. Das ist schon eine neue Qualität der Debatte, nicht inhaltlicher Art (die Argumente werden ja dadurch nicht besser oder schlechter), wohl aber, was ihre Form betrifft.
Welche strategische Bedeutung hat die anstehende Entscheidung über bewaffnete Drohnen für die Bundeswehr?
Strategisch liegt die Bedeutung weniger in der Anschaffung der Bewaffnung als vielmehr darin, dass die Bundesrepublik hier endlich die Lücke zu anderen großen NATONorth Atlantic Treaty Organization-Staaten schließt, die bereits seit langem über bewaffnete Drohnen verfügen. Weiterhin liegt die strategische Bedeutung dieser Anschaffung darin, dass die Bundeswehr in der Lage ist, ihre eigenen Soldaten und Soldatinnen zukünftig im Einsatz besser schützen zu können.
Welche sicherheitspolitischen Aspekte sind für Sie bei diesem Thema von Belang?
Der ausschlaggebende Aspekt für mich ist der Schutz der eigenen Soldatinnen und Soldaten. Sollte die Bewaffnung der Heron TP beschlossen werden, ist die Bundeswehr in der Lage, ihre eigenen Soldatinnen und Soldaten besser zu schützen und ist nicht darauf angewiesen, in Notlagen auf die Luftnahunterstützung CAS (Close Air Support) zu warten, die, wie wir aus Afghanistan wissen, durchaus auch mal dauern kann. Damit kommt die Bundeswehr ihrer Verpflichtung noch besser nach, den bestmöglichsten Schutz für ihre Männer und Frauen im Einsatz zu gewährleisten.
Abschließend zu den bündnispolitischen Implikationen: Kann es sich Deutschland im Kreise seiner Partner überhaupt leisten, auf bewaffnete Drohnen auf Dauer zu verzichten?
Einfache Antwort, nein. Eine Bundeswehr ohne bewaffnete Drohnen kann einfach in Einsätzen nicht das gleiche Maß an Bewegungsfreiheit haben wie eine Armee mit bewaffneten Drohnen. Und für einen der vier größten NATONorth Atlantic Treaty Organization-Staaten wäre es ein Armutszeugnis, wenn man auch zukünftig in jeder Situation darauf warten müsste, dass Koalitionspartner im Einsatz zur Hilfe eilen.
Die Fragen stellte Jörg Fleischer.
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