Dr. Katharina Ziolkowski leitet das Sekretariat Digitalisierung im BMVgBundesministerium der Verteidigung. Die Aufgabe des Sekretariats beschreibt sie im Interview mit der Redaktion der Bundeswehr.
Welche Dimension hat Digitalisierung und was verleiht ihr den Status „Megatrend“?
Digitalisierung ist mehr als nur ein Trend: es ist ein „Zeitenbegriff“. Heute sind rund 8,4 Milliarden ITInformationstechnik-Geräte mit dem sogenannten Internet der Dinge verbunden, bald sollen 50 Milliarden Geräte miteinander vernetzt sein. Das ist eine Zahl, die um ein Vielfaches höher ist, als die der Menschen, die auf dem gesamten Planeten leben. Die Digitalisierung schreitet mit einer hohen Dynamik und einem schnellen Tempo voran. Die digitalen Kommunikationsmöglichkeiten, Prozesse, Geschäftsmodelle etc. ändern jetzt schon Unternehmensstrukturen von Großorganisationen und das gesamte politische und gesellschaftliche Miteinander. Die reale und virtuelle Welt rücken immer näher zusammen. Das alles hat auch Auswirkungen auf unser Wertesystem, das ja vor Veränderungen auch nicht gefeit ist. Das hat natürlich auch Auswirkungen auf die Streitkräfte und auf alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Geschäftsbereich des BMVgBundesministerium der Verteidigung.
Was bedeutet denn Digitalisierung für die Bundeswehr?
Es bedeutet vor allem neue Chancen! Wer nicht digitalisiert, verliert!
Auf dem Gefechtsfeld wird die Digitalisierung immer mehr zum entscheidenden Aspekt der Informations-, Führungs- und Wirkungsüberlegenheit der Truppe. Digitalisierung erhöht die Re- und Aktionsgeschwindigkeit und stärkt damit die Kampfkraft. Vernetzte Operationsführung, digitale Lagebilder, Echtzeitdatenanalyse und Krisenvorsorge-Infosysteme – das sind die Schlagworte, an die ich denke. Und das sind keine Zukunftsideen. Das digitale Gefechtsfeld ist bereits heute, jedenfalls in Teilen, Realität. Und wir dürfen auch nicht vergessen, dass gerade ein konventionell-militärisch unterlegener Feind digitale Innovationen nutzen wird, um seine asymmetrische Unterlegenheit auszugleichen.
Wie wird sich die Digitalisierung auf den Alltagsbetrieb auswirken?
Digitalisierung wird natürlich auch unseren täglichen Betrieb, unsere Arbeitsprozesse ändern und erleichtern. Digitales mobiles Arbeiten mit modernen Formen der Kommunikation und Zusammenarbeit wird uns ortsunabhängiger machen und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf unterstützen. Wiederkehrende Prozesse können durch Software übernommen werden, das wird jetzt schon gemacht. Im BAIUDBw vergleicht und korreliert eine Software über Nacht Personaldaten von Anträgen mit denen in Datenbanken. Das macht nicht nur das Verwaltungshandeln effektiver und effizienter, sondern entlastet vor allem die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und schafft Zeit für Fälle, die menschlicher Aufmerksamkeit bedürfen. Da denke ich zum Beispiel an Ermessensentscheidungen, die ihre Zeit brauchen, oder das tägliche kameradschaftliche und kollegiale Miteinander.
Wird die Bundeswehr angesichts der Digitalisierung umdenken müssen?
Wenn ich mir die Innovationsgeschwindigkeit und die digitale Entwicklung im Privat- und Geschäftsleben anschaue, glaube ich, dass wir nicht umhinkommen werden, ein „digitales Selbstverständnis“ im Geschäftsbereich BMVgBundesministerium der Verteidigung zu entwickeln. Das wird aber nicht immer einfach sein. Unsere Verfahren, zum Beispiel in der ITInformationstechnik-Beschaffung, sind langwierig. Wir sind eine Großorganisation, ein „Dickschiff“, das nicht so leicht umschwenkt, wenn es einmal auf Kurs ist. Und dennoch müssen wir uns daranmachen, schneller zu werden und diesen Kurs wenn nötig auch zu korrigieren.
Birgt die Digitalisierung auch Gefahren in sich?
Ja, Digitalisierung bietet nicht nur Chancen, sondern birgt auch Gefahren in sich. Cyber-Attacken gegen unsere Netzwerke sind an der Tagesordnung. Aber ich glaube, was Cyber-Sicherheit und Cyber-Verteidigung anbelangt, sind wir ganz gut aufgestellt.
Welche Aufgabe und welchen Mehrwert hat das Sekretariat Digitalisierung im BMVgBundesministerium der Verteidigung?
Um der Digitalisierung entsprechend ihrer Bedeutung für die Zukunftsfähigkeit der Bundeswehr Gewicht zu verleihen, wurde ein Leitungsboard und ein Steuerungspanel auf der Leitungsebene des Ministeriums geschaffen. Diese hochrangigen Gremien steuern zentral die Digitale Transformation in unserem Geschäftsbereich. Das Sekretariat Digitalisierung, das ich leite, unterstützt diese Gremien operativ. Wir sorgen für Transparenz über laufende Digitalisierungsaktivitäten und Maßnahmen zur Erhöhung der Digitalisierungsfähigkeit, beraten und geben Impulse zur Initiierung neuer Projekte. Wir sind Ansprechstelle bei Hemmnissen in der Umsetzung und bemühen uns, Lösungen anzustoßen. Es ist ja normal, dass es bei Großprojekten mal hakt – sieht man gerade in Berlin „janz jut“. Wir arbeiten aber daran, die Wahrnehmung von Digitalisierungsaktivitäten und Maßnahmen zur Erhöhung der Digitalisierungsfähigkeit auf der Leitungsebene zu erhöhen. Wir koordinieren auch ein Netzwerk aller Verantwortlichen und wesentlichen Beteiligten innerhalb des Geschäftsbereiches BMVgBundesministerium der Verteidigung sowie ein Netzwerk nach außen.
Wo liegt die Verantwortung für die Umsetzung?
Die Umsetzungsverantwortung für alle Ideen, Forschungsvorhaben und Projekte im Bereich der Digitalisierung liegt dezentral in den einzelnen Abteilungen des BMVgBundesministerium der Verteidigung und in den militärischen und zivilen Organisationsbereichen der Bundeswehr. Dort werden die Digitalisierungsaktivitäten und Maßnahmen zur Erhöhung der Digitalisierungsfähigkeit eigenverantwortlich umgesetzt, Digitalisierungspotentiale werden identifiziert und weiterentwickelt.
Am 4. April ist der Tag der Koordinatoren im BMVgBundesministerium der Verteidigung – was ist dort geplant?
Um die dezentrale Umsetzung der Digitalen Transformation sicherzustellen, haben alle Abteilungen im BMVgBundesministerium der Verteidigung, alle militärischen Organisationsbereiche, sowie das BAAINBwBundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr, BAIUDBw, BAPersBwBundesamts für das Personalmanagement der Bundeswehr und das PlgABw Koordinatoren ernannt. Die Koordinatoren spielen bei der Digitalen Transformation eine entscheidende Rolle. Sie steuern die Digitalisierung in ihrem Verantwortungsbereich eigenständig. Sie sind Initiatoren, Berater, Treiber, Vorbilder und Garanten für die Umsetzung aller Digitalisierungsaktivitäten und Maßnahmen zur Erhöhung von Digitalisierungsfähigkeit. Am 4. April werden alle Koordinatoren zusammentreffen, um sich über ihre Erfahrungen und Ansätze bei der Digitalisierung auszutauschen.
Was ist Ihre persönliche Motivation, die Digitale Transformation als Leiterin des Sekretariat Digitalisierung voranzutreiben?
Ich möchte, dass die Bundeswehr, wir alle, die Chancen nutzen, die die Digitale Transformation für uns bereithält. Ich glaube, dass die Digitale Transformation in der Zukunft über Erfolg oder Misserfolg auf dem Gefechtsfeld entscheiden wird. Ich glaube, dass wir im täglichen Betrieb zukunftsfähig bleiben müssen, um zufriedene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in einer zeitgemäßen Arbeitsumgebung halten und neues Personal gewinnen zu können. Abgesehen davon finde ich es sehr spannend zu beobachten, wie in den letzten Jahrzehnten „ITInformationstechnik“ langsam um den Aspekt „Cyber“ ergänzt wurde und jetzt „ITInformationstechnik“ und „Cyber“ aus der Gesamtperspektive „Digitalisierung“ betrachtet werden. Mit gefällt dieser umfassende Ansatz, weil er auch Menschen, ihre Digitalkompetenz und eine Digitalkultur einbezieht. Ich habe mich schon immer für all diese Themen begeistert und freue mich wirklich, meinen Teil zur Digitalen Transformation in unserem Geschäftsbereich beizutragen.
Wo glauben Sie, stehen wir in 12 Monaten mit der Digitalisierung?
Das ist eine schwierige Frage. Was ich auf jeden Fall ganz genau weiß ist, dass die Digitale Transformation zu unseren Lebzeiten nie „fertig“ sein wird. Es ist eine Daueraufgabe, ein ständiger Prozess der Anpassung an das Tempo der Innovationen und auf veränderte Lebensumstände. Die Bundeswehr fängt da ja nicht bei null an. Wir haben schon Vieles digitalisiert, ohne es Digitalisierung zu nennen. Ich denke da an das Schießkino der Feldjäger in Hannover, den Infanteristen der Zukunft oder an das Travelmanagement. Aber natürlich müssen wir noch einiges aufholen… Ich hoffe, dass wir in 12 Monaten gute Fortschritte in einigen Digitalisierungsaktivitäten melden können, dass Digitalkompetenz in Aus- und Fortbildungen der Bundeswehr eine größere Rolle spielen wird und wir langsam in die Nähe einer Vorreiterrolle der digitalen Transformation reinkommen.
Die Digitalisierung der Bundeswehr ist an einer Roadmap orientiert – wer hält die Fortschritte in dieser Roadmap nach?
Auf strategischer Ebene bin das ich und das Sekretariat, das ich leite. Allerdings müssen die Fortschritte dezentral, in allen Abteilungen des BMVgBundesministerium der Verteidigung und in allen Organisationsbereichen der Bundeswehr, nachgehalten werden. Dort ist das Fachwissen vorhanden, dort sind die Wissensträger, dort liegt die Expertise.
Dr. Katharina Ziolkowski ist die Leiterin des Sekretariats Digitalisierung im BMVgBundesministerium der Verteidigung. Inhaltliche Schwerpunkte der Juristin waren bisher die Felder Cyberpolitik, Cyberrecht und Cyber-Verteidigung. Ihr Ziel ist, die Digitale Transformation des Geschäftsbereichs BMVgBundesministerium der Verteidigung auf allen Ebenen und in allen Bereichen mit Sachverstand, Motivation, Elan und Kreativität voranzutreiben. Ansprechpartnerin für Cyberrechtsfragen Zuvor war sie Referentin in der Abteilung R I 3 (Völker- und Einsatzrecht) im BMVgBundesministerium der Verteidigung. Dort befasste sie sich u.a. mit Aspekten des Weltraum- und Cyber-Völkerrechts, oder mit rechtlichen Fragen rund um das Thema KIKünstliche Intelligenz und autonome Waffensysteme. Sie war Ansprechpartnerin für Cyberrechtsfragen in der Abteilung R für die Abteilung CITCyber- und Informationstechnik. „Digital Europe“ Sie besuchte das NATONorth Atlantic Treaty Organization Defense College in Rom. Sie war Referentin im Büro Strategische Steuerung Rüstung im BMVgBundesministerium der Verteidigung, wo sie im Schwerpunkt Cyber dem Büro der Ministerin und dem der Staatssekretärin zuarbeitete. Darüber hinaus war die Regierungsdirektorin in der Nationalen Koordinationsstelle für Cyber-Sicherheitspolitik der Republik Lettland im dortigen Verteidigungsministerium tätig. Sie unterstützte die Lettische EUEuropäische Union-Ratspräsidentschaft „Digital Europe“. Cyber-Reservistin Weitere Verwendungen und Stationen von Dr. Katharina Ziolkowski waren am NATONorth Atlantic Treaty Organization Cooperative Cyber Defense Center of Excellence, an der Führungsakademie der Bundeswehr sowie der US Judge Advocate General’s School, der NATONorth Atlantic Treaty Organization School Oberammergau und in der Division Luftbewegliche Operationen. Sie wirkte mit am Aufbau von Information Operations- und Computer-Network-Operations-Fähigkeiten in der Bundeswehr. Die Cyber-Reservistin ist Major der Reserve. |
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