UNUnited Nations-Peacekeeper werden bei ihren Einsätzen oft mit traumatischen Erfahrungen konfrontiert. Wie professionell ihnen bei Traumata geholfen werden kann, hängt zumeist von der Nationalität der Blauhelmsoldaten ab. Mentale Erkrankungen gelten in vielen Armeen der Welt noch immer als Stigma. Eine neue App der Vereinten Nationen soll nun Abhilfe schaffen.
Bosnien und Ruanda in den Neunzigerjahren oder aktuell der Südsudan – drei Schlagworte, die bei vielen Menschen Erinnerungen an kritische Blauhelm-Missionen hervorrufen dürften. Und damit auch an UNUnited Nations-Peacekeeper, die ohnmächtig zusehen mussten, wie Menschen getötet oder verstümmelt wurden. Die mitunter selbst um ihr Leben kämpfen und den Verlust gefallener Kameraden verkraften müssen. Bei Weitem nicht jede Mission der Blauhelme verläuft dramatisch. Häufig erreichen die Peacekeeper die ihnen gesetzten Ziele und können helfen, Frieden zu bewahren oder zu schaffen. Aber ihr Job ist unstreitig gefährlich und potenziell geeignet, multiple Traumata hervorzurufen. Also, wer hilft am Ende den Helfern?
„Das Problem psychologischer Folgeprobleme nach Blauhelmeinsätzen ist seit Jahrzehnten bekannt und wurde genauso lange in verschiedenen UNUnited Nations-Gremien verhandelt“, sagt Oberfeldarzt Philipp R. Der Radiologe hat selbst verschiedene Auslandseinsätze der Bundeswehr begleitet, war unter anderem auch bei Auslandseinsätzen in Afghanistan und Mali als Mediziner im Beweglichen Arzttrupp in Konvois und Außenposten unterwegs.
Inzwischen ist das Verteidigungsministerium sein Arbeitsplatz. Am 10. Oktober 2024, dem World Mental Health Day, war in New York durch hochrangige UNUnited Nations-Vertreter eine Handy-App vorgestellt worden, die mittlerweile auch über die üblichen App-Stores abgerufen werden kann. Ihr Name: „UNUnited Nations’s MindCompanion“, also ein Begleiter im Geiste.
„Diese App ist der erste sichtbare Effekt der Mental Health Strategie für uniformiertes Personal der Vereinten Nationen“, erklärt Oberfeldarzt R. „Es ist gut, dass die Anwendung nun zur Verfügung steht. Leider hat es bis dahin sehr lange gedauert.“ Deutschland habe sich bei den Vereinten Nationen über Jahre sehr darum bemüht, einen wirksamen Alltagshelfer für UNUnited Nations-Blauhelmsoldaten bereitzustellen, die bei ihrer Arbeit belastenden Situationen ausgesetzt sind.
Aber was kann dieser „UNUnited Nations’s MindCompanion“ eigentlich? „Die App dient im Wesentlichen zwei Zielen. Sie soll die mentale Gesundheit der Blauhelme verbessern und bestehende Stigmata im Zusammenhang mit psychischen Erkrankungen abbauen helfen“, so Oberfeldarzt R. Wie macht sie das? „Die Anwendung enthält zunächst Anleitungen für eine Selbstdiagnose. Unter Nutzung verschiedener Tools und Methoden zur Diagnostik können sich Betroffene so ein Bild davon machen, wie es um das persönliche Stresslevel, etwaige Schlafstörungen oder sonstige Indikatoren für eine überbeanspruchte Psyche bestellt ist. „Je nach Ergebnis gibt die App den Nutzenden dann Empfehlungen zum weiteren Vorgehen“, so R. „Etwa zum Besuch des Truppenarztes.“
Das kann im Alltag vieler Blauhelme schon zu Problemen führen. „Viele truppenstellende Nationen haben nicht mal im Ansatz eine so engmaschige truppendienstliche Versorgung wie die Bundeswehr“, sagt der Mediziner. Das ist eine höfliche Umschreibung der Tatsache, dass psychische Erkrankungen aller Art in vielen Armeen der Welt entweder nicht anerkannt oder in irgendeiner Form stigmatisiert werden. Mit der Folge, dass betroffene Soldatinnen und Soldaten bei psychischen Belastungsstörungen von ihren Vorgesetzten nicht unterstützt, sondern zusätzlich unter Druck gesetzt werden.
„Deshalb ist die Bekämpfung dieser Stigmatisierung auch so wichtig. Wir brauchen unter allen truppenstellenden Nationen die Bereitschaft anzuerkennen, dass der Dienst bei den Peacekeepern der Vereinten Nationen mit Risiken für die mentale Gesundheit der Soldatinnen und Soldaten verbunden ist.“ Der Respekt vor der Leistung der Blauhelme gebiete es, ihnen aus daraus folgenden psychischen Problemen herauszuhelfen. „Deshalb enthält die App auch Tipps zur Selbsthilfe, etwa bestimmte Entspannungsübungen.“
Auch an Kameradenhilfe wurde gedacht. Diese sei besonders wichtig, sagt Oberfeldarzt R. „Denn die psychischen Probleme führen fast immer zu Depressionen und die nehmen den Leuten den Antrieb.“ Wenn also jemand erkennt, dass Angehörige der Einheit plötzlich merkwürdig still geworden sind, könne er oder sie das Wissen aus der App auch bei anderen anwenden.
Ersatz für professionelle Unterstützung sei all das nicht, weiß auch Oberfeldarzt R. „Aber es ist ein erster Aufschlag, das erste Tool von hoffentlich verschiedenen, die noch kommen werden.“ Die Vielzahl der involvierten Nationen, das unterschiedliche Mindset und die häufig ungleichmäßige materielle Ausgangslage bei den Truppenstellern seien große Herausforderungen. „Das wird noch Zeit brauchen. Aber ein Anfang ist gemacht.“
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