Die Ukraine-Krise und die Verschlechterung der NATONorth Atlantic Treaty Organization-Russland-Beziehungen zeigen, wie wichtig gerade jetzt vertrauensbildende und rüstungskontrollpolitische Maßnahmen in Europa sind, damit die angespannte Situation nicht eskaliert. Militärische Expertise ist für die Umsetzung internationaler Abkommen – die sogenannte Implementierung – und für die konzeptionelle Weiterentwicklung der verschiedenen Instrumente der Rüstungskontrolle unverzichtbar.
Das Verteidigungsministerium und die Bundeswehr unterstützen die Aktivitäten der Bundesregierung im Bereich der Rüstungskontrolle und militärischen Vertrauensbildung international und national mit militärpolitischer und militärischer Expertise, mit Personal, Material, Ausbildung, Auswertung und Planung. Auch in den Bemühungen zur Lösung der Ukraine-Krise kommen die spezifischen Beiträge der Bundeswehr zum Tragen.
Deutschland stärkt zum Beispiel die „Special Monitoring Mission“ (SMM) der OSZEOrganisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa in der Ukraine mit der Bereitstellung von Satelliten-Aufklärungsergebnissen und Kartenmaterial, der Entsendung von technischen Experten oder mit von der Luftwaffe eingerichteten Luftbildauswertungs-Lehrgängen. Das Zentrum für Verifikationsaufgaben der Bundeswehr (ZVBwZentrum für Verifikationsaufgaben der Bundeswehr) bildet in der Ukraine OSZEOrganisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa-Personal zur Überwachung des Abzugs schwerer Waffen und militärischen Großgeräts aus – eine der zentralen Vereinbarungen des Minsker Friedensprozesses.
Diese Dienststelle der Streitkräftebasis ist die zentrale Einrichtung zur Implementierung der Rüstungskontrollabkommen und dem BMVgBundesministerium der Verteidigung fachlich unmittelbar unterstellt. Die sicherheitspolitische Lage ist hier spürbar: In den vergangenen Jahren hat sich die Auftragslage für das Zentrum kontinuierlich gesteigert: von 199 im Jahr 2016 auf 293 im Jahr 2017. Das entspricht einer Steigerung der Rüstungskontrollaktivitäten um rund 50 Prozent. Das Spektrum reichte von Überprüfungen und Lehrgängen im Bereich der konventionellen Rüstungskontrolle über Open-Skies-Flüge bis zu Maßnahmen auf dem Feld der humanitären Rüstungskontrolle.
In diesem Jahr wird das Zentrum deshalb personell verstärkt, berichtete Brigadegeneral Peter Braunstein, der Kommandeur des ZVBwZentrum für Verifikationsaufgaben der Bundeswehr, auf der Ende Januar in Berlin durch das BMVgBundesministerium der Verteidigung Referat Politik II 5 (Rüstungskontrolle und OSZEOrganisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa) durchgeführten Nationalen Rüstungskontrolltagung. Zu den bestehenden würden neue Aufgaben und Schwerpunkte kommen. So würden mit der Permanenten Strukturierten Zusammenarbeit in der EUEuropäische Union-Verteidigungspolitik (PESCOPermanent Structured Cooperation) weitere Rüstungskontrollverpflichtungen entstehen, zum Beispiel mit der Einrichtung europäischer Logistic Hubs. „Afrika gewinnt zunehmend an Bedeutung“ für das Zentrum, ergänzte Braunstein. Ein Fokus liege hier in der Ausbildung im Bereich der Kleinwaffenkontrolle (Small Arms and Light Weapons, SALWSmall Arms and Light Weapons) und der Munitionssicherung (Ammunition & Physical Stockpile, Safety & Security Management Course (PSSMPhysical Security and Stockpile Management).
Rund 50 Teilnehmer haben die jährlich durchgeführte, nationale Rüstungskontrolltagung besucht. Das Auswärtige Amt, ZVBwZentrum für Verifikationsaufgaben der Bundeswehr, Militärattachés und weitere in der Rüstungskontrolle tätige Teilnehmer aus der Bundeswehr waren auf Einladung des Verteidigungsministeriums nach Berlin gereist. Neben Diskussion und Austausch ging es vor allem um „Information und Orientierung seitens des Referats Politik II 5“, erläuterte Dr. Ernst-Christoph Meier, der Leiter des Referats.
Eines der zentralen Themen war die Modernisierung und Weiterentwicklung der Instrumente der konventionellen Rüstungskontrolle in Europa. Deutschland setzt sich weiterhin mit Nachdruck für eine umfassende Modernisierung – vor allem des Wiener Dokuments über vertrauensbildende Maßnahmen – unter dem Dach der OSZEOrganisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa ein. Perspektivisch gehe es auch um ein zukünftiges konventionelles Rüstungskontrollregime in der Nachfolge des veralteten KSEKonventionelle Streitkräfte in Europa-Vertrags aus dem Jahr 1990. Dabei gehe es im Gegensatz zur Vergangenheit weniger um die zahlenmäßige Begrenzung des vorhandenen militärischen Großgeräts, sondern viel stärker um die transparente Erfassung militärischer Fähigkeiten moderner Streitkräfte. „Militärische Quantität rückt als klassischer Parameter der Rüstungskontrolle in den Hintergrund“, so Dr. Meier.
Ein wichtiges Signal für die Vertrauensbildung hat die Bundesregierung mit der Entscheidung zur Beschaffung eines neuen Beobachtungsflugzeugs für Flüge im Rahmen des Vertrages über den Offenen Himmel gesetzt. Der in Zusammenarbeit mit dem Auswärtigen Amt beschaffte Airbus A319CJ wird nach abgeschlossener Umrüstung von der Flugbereitschaft des Bundesministeriums der Verteidigung betrieben werden, während das ZVBwZentrum für Verifikationsaufgaben der Bundeswehr das Missionspersonal stellen wird. 2019 soll das Luftfahrzeug ausgeliefert und danach durch die Vertragsstaaten zertifiziert werden.
Auch bei der der Umsetzung des Chemiewaffen-Übereinkommens setzt Deutschland besondere Akzente. Zum Geschäftsbereich des Verteidigungsministeriums gehörende Labore unterstützten die Organisation für das Verbot von Chemiewaffen (OVCWOrganisation für das Verbot chemischer Waffen) bei der Analyse von Proben, die zum Beispiel bei gemeinsamen Missionen der VNVereinte Nationen und der OVCWOrganisation für das Verbot chemischer Waffen in Syrien genommen wurden. Und erst kürzlich hat die Gesellschaft zur Entsorgung von chemischen Kampfstoffen und Rüstungsaltlasten (GEKAGesellschaft zur Entsorgung chemischer Kampfstoffe und Rüstungsaltlasten) das Projekt zur Vernichtung toxischer Chemikalien aus Libyen erfolgreich beendet.
Die Bundeswehr beteiligt sich darüber hinaus aktiv an Programmen zur Erhöhung der Biosicherheit und Gesundheitsvorsorge. Ein Beispiel dafür ist der Aufbau eines regionalen Ausbildungsnetzwerks der G5-Sahel-Staaten. Mit dieser Ertüchtigung sollen die Fähigkeiten bei der Erkennung von hochansteckenden Krankheitserregern (Ebola) verbessert und der Missbrauch von Erregern verhindert werden. Das Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr hat dafür ein zivil-militärisch einsetzbares mobiles Labor entwickelt.
Auch die Anpassung des Instrumentariums der Rüstungskontrolle und Vertrauensbildung an sich zukünftig zunehmend verändernde technologische Rahmenbedingungen wurde auf der Tagung diskutiert. Im Mittelpunkt standen dabei Herausforderungen für die Rüstungskontrolle in neuen Dimensionen von Sicherheit – insbesondere im Cyber- und Informationsraum, im Weltraum sowie das Thema autonomer Waffensysteme.
Deutschland wird im regionalen und globalen Rahmen noch nachdrücklicher für umfassende Vereinbarungen zur militärischen Vertrauensbildung, Begrenzung destabilisierender Streitkräfteentwicklungen und konsequenten Verhinderung der Verbreitung von Massenvernichtungswaffen eintreten.Weißbuch 2016, S. 82
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