In dieser Woche ist der Verteidigungsausschuss des Deutschen Bundestages mit dem Entwurf des neuen Erlasses befasst worden.
Aus diesem Anlass zeichnet die Redaktion der Bundeswehr den Weg hin zum neuen Traditionserlass nach. Der vorliegende Entwurf trägt den Titel: „Die Tradition der Bundeswehr. Richtlinien zum Traditionsverständnis und zur Traditionspflege“. Der neue Erlass soll voraussichtlich Ende März in Kraft treten.
Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen hatte einen offenen und umfassenden Überarbeitungsprozess bereits im Mai 2017 initiiert. Sie erachtete die Überarbeitung des Traditionserlasses für notwendig, weil die Bundeswehr von heute mittlerweile eine andere geworden ist als vor mehr als 35 Jahren. Der derzeit noch gültige Erlass stammt aus dem Jahre 1982.
Die Bundeswehr hat sich nach dem Mauerfall hin zur „Armee der Einheit“ grundlegend weiterentwickelt. Sicherheitspolitische Veränderungen wie das Ende des Kalten Krieges, neue Herausforderungen wie die Auslandseinsätze sowie strukturelle Anpassungen wie die Aussetzung der Wehrpflicht haben der Truppe ein neues Gesicht gegeben.
Der künftige Traditionserlass soll an seinen Vorgänger aus dem Jahre 1982 anknüpfen. Es geht nicht um eine radikale Neufassung, sondern um Weiterentwicklung. Diese wurde, ausgehend von der Initiative der Ministerin, in den darauffolgenden Monaten des vergangenen Jahres zielgerichtet vorangetrieben.
So wurden von August bis November 2017 in einer ersten Beteiligungsphase in vier Workshops die Grundlage für die Überarbeitung des Traditionserlasses gelegt. An den Foren in Hamburg, Koblenz, Potsdam und Berlin nahmen – vom Gefreiten bis zum General – Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr und zivile Mitarbeiter teil, darüber hinaus Experten aus Wissenschaft, Politik und Gesellschaft. Es wurde eine dynamische, facettenreiche und fruchtbare Debatte geführt. Das Zwischenergebnis stimmte positiv.
Im Anschluss an den Diskussionsprozess der Workshops sagte seinerzeit der Leiter des zuständigen Referats Führung Streitkräfte III 3 im Verteidigungsministerium, Oberst i.G.im Generalstabsdienst Dr. Sven Lange, in einem Interview der Redaktion der Bundeswehr: „Ich war beeindruckt vom Engagement der Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Die Frage nach unserer Tradition beschäftigt die Soldatinnen und Soldaten, vom General bis zum Gefreiten. Was ich in dieser Form nicht erwartet hatte, war das große Interesse auch der zivilen Angehörigen der Bundeswehr.“
Nachdem bei den Workshops die Grundlagen für die Überarbeitung des Traditionserlasses gelegt worden waren, flossen die daraus resultierenden Erkenntnisse in die Überarbeitung des ersten Entwurfs ein. Konkrete Textarbeit stand an.
Der erste Entwurf mit dem Titel: „Die Tradition der Bundeswehr – Richtlinien zum Traditionsverständnis und zur Traditionspflege“ wurde am 20. November 2017 veröffentlicht. Ausgehend vom Generalinspekteur der Bundeswehr, General Volker Wieker, über die Inspekteure der Teilstreitkräfte sowie allen Leiterinnen und Leitern der Organisationsbereiche wurde das Dokument in der Truppe sowie in relevanten Gremien und Fachkreisen breit erörtert. Politik, Medien und Öffentlichkeit diskutierten und berichteten darüber.
Daraus resultierend gab es Anregungen und Hinweise. Diese wurden bei der Überarbeitung des Entwurfs berücksichtigt. Redaktionelle und sprachlich-stilistische Änderungen wurden vorgenommen sowie einige wenige Ergänzungen und strukturelle Anpassungen. Insgesamt stellte sich nach genauer Durchsicht heraus, dass eine grundlegende Überarbeitung des Entwurfs nicht notwendig war. In angepasster Form liegt er nun dem Verteidigungsausschuss des Deutschen Bundestages vor.
Durch den neuen Traditionserlass sollen die Kommandeure und Dienststellenleiter sowie ihre Soldaten und zivilen Mitarbeitern mehr Handlungssicherheit im Umgang mit der Tradition der Bundeswehr erhalten.
Ganz bewusst zielt der geplante Traditionserlass auf eine kritische Auseinandersetzung mit der Vergangenheit. Er erläutert, was im 21. Jahrhundert für Soldatinnen und Soldaten sowie alle Angehörigen der Bundeswehr traditionswürdig sein soll. Dabei kann aus dem mittlerweile reichen Fundus der eigenen Geschichte der Bundeswehr geschöpft werden. Die eigene Tradition der Bundeswehr wird demnach zentraler Bezugspunkt der Traditionspflege.
Erstmals will der künftige Erlass die gesamte deutsche Militärgeschichte in den Blick nehmen. Er hebt ausdrücklich hervor, dass die Werte unserer Verfassung weit älter als das Grundgesetz sind. Damit lässt sich Erinnerungs- und Bewahrungswürdiges aus allen Epochen in das Traditionsgut der Bundeswehr übernehmen. Ihr Traditionskanon bleibt so grundsätzlich offen. Weiter soll der Erlass insofern Handlungssicherheit für die Truppe schaffen, als er klare Grenzen zur Wehrmacht und zur Nationalen Volksarmee (NVA) zieht. Wehrmacht und NVA als Armeen von Diktaturen werden in ihrer historischen Bewertung jedoch nicht gleichgestellt. In der Bewertung ihrer Traditionswürdigkeit für die Bundeswehr ist aber dasselbe Ergebnis zu verzeichnen: Beide sind nicht traditionswürdig.
Der neue Traditionserlass zieht klare Trennlinien zu nicht traditionswürdigen Kapiteln, Ereignissen und Personen der deutschen Geschichte; insbesondere zur Wehrmacht. Als Waffenträger des NSNationalsozialismus-Regimes kann sie als Institution auch künftig nicht traditionsstiftend für die Bundeswehr sein. Mit Ausnahme der Widerstandskämpfer des 20. Juli 1944, der Angehörigen der Gründer- und Aufbaugeneration oder von Personen, die sich um Recht und Freiheit verdient gemacht haben – sie haben Relevanz für die Tradition der Bundeswehr.
Grundsätzlich soll das Selbstverständnis der Bundeswehr streng gebunden sein an die Werte und Normen des Grundgesetzes. Der Politikwissenschaftler Herfried Münkler, Professor an der Berliner Humboldt-Universität, sagte in einem Interview der Redaktion der Bundeswehr: Es sei die Aufgabe einer Institution wie der Bundeswehr, wider den „Wildwuchs des Erinnerns“ Traditionen zu pflegen. „Hier muss Erinnerung gepflegt werden – im Hinblick auf die Nachbarstaaten, auf die Gesellschaft und auf den Organisationszweck.“
Hamburg: Der erste Workshop an der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg stand am 17. August 2017 unter der Überschrift: „Die Tradition der Bundeswehr im Kontext von europäischer Verteidigungsidentität und transatlantischer Sicherheitspartnerschaft“. Zum Auftakt betonte damals die Ministerin: „Tradition soll immer wieder aufs Neue zur Selbstvergewisserung dienen.“ Es gehe um „geistige Orientierung“, um „unsere Vorbilder“ und um unser „Ethos“.
Koblenz: Der zweite Workshop fand am 11. und 12. September 2017 am Zentrum Innere Führung in Koblenz statt. Dabei wurde das Thema erörtert: „Tradition und Identität – Welche Traditionen benötigt die Bundeswehr?“ Die Mehrheit der Teilnehmer war am Ende der Meinung: Es gibt keinen Bedarf an einer grundsätzlichen Neufassung des gültigen Traditionserlasses. Allerdings gilt es, den bestehenden Erlass zu modifizieren und zu ergänzen.
Potsdam: Der dritte Workshop fand am 12. Oktober 2017 am Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr (ZMSBwZentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr) in Potsdam statt. Kooperationspartner war das Institut für Zeitgeschichte (IfZ). Die Veranstaltung stand unter dem Motto: „Kostbares Erbe oder drückende Last der Vergangenheit? Funktion und Bedeutung der älteren deutschen Militärgeschichte für die Tradition der Bundeswehr“. Dabei unterstrich der Generalinspekteur der Bundeswehr, General Volker Wieker: „Die Bundeswehr muss sich auf sich selbst besinnen.“ Neben anderen historisch relevanten Traditionslinien könne sie sich mittlerweile durchaus auf Bilder, Vorbilder und Namen ihrer mittlerweile mehr als 60-jährigen Geschichte berufen.“
Berlin: Der vierte und letzte Workshop fand am 10. November 2017 an der Bundesakademie für Sicherheitspolitik in Berlin statt. Die Überschrift lautete: „Bundeswehreigene Tradition: Wie bewahrt und tradiert die Bundeswehr ihr Erbe?“ Dieser Workshop wählte einen „ressortübergreifenden Ansatz“ – also den Blick über den Tellerrand. Im Vergleich der Bundeswehr mit Bundespolizei und Bundesnachrichtendienst wurde sichtbar, wie unterschiedlich Traditionsverständnis sein kann.
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