Deutschland ist für China ein Schlüsselakteur in Europa. Als bedeutender Wirtschaftspartner Chinas genießt Deutschland in der chinesischen Führung großes Vertrauen. In Zeiten, in denen Krisen in noch nie dagewesener Gleichzeitigkeit über den Erdball hereinbrechen, ist Deutschlands Position von besonderem Wert, auch vor dem Hintergrund der Nordkorea-Krise.
Das hat der China-Experte Frank Hartmann kürzlich bei den Clausewitz-Strategiegesprächen in Berlin betont. Bei der Veranstaltung, zu der die Deutsche Atlantische Gesellschaft, die Clausewitz-Gesellschaft und die Vertretung des Landes Sachsen-Anhalt beim Bund eingeladen hatten, stellte der Referatsleiter im Bundeskanzleramt fest: In der aktuellen Situation sei es zunächst notwendig, den Druck auf Nordkorea durch verschärfte Sanktionen zu erhöhen. Hierbei müsse die internationale Gemeinschaft geschlossen handeln. China und Russland seien dabei besonders bei der Implementierung der Sanktionen gefordert. Ziel der Sanktionen ist dabei, wieder ins Gespräch zu kommen, um diplomatische Lösungen zu finden. Deutschland könnte dabei Gesprächskanäle öffnen.
Über diplomatische Kanäle nach Nordkorea, so Hartmann, können die Deutschen mit Pjöngjang kommunizieren. So besteht immerhin die Chance, entkrampfend in diesem Konflikt zu wirken. Dabei helfe auch, dass Deutschland in China nicht als Teil von Konflikten der Region wahrgenommen werde.
Die Gemengelage ist für China extrem kompliziert. „Es ist ein mehrdimensionaler Konflikt“, so stellt Sarah Kirchberger, Leiterin der Abteilung Strategische Entwicklung in Asien-Pazifik am Institut für Sicherheitspolitik an der Kieler Christian-Albrechts-Universität, fest.
Hartmann ergänzt: Sicherheitspolitisch sei Peking gegen eine Nuklearmacht Nordkorea. China befinde sich in einem Dilemma. Einerseits wachse Peking aufgrund seiner Dominanz in der Region und seiner Nähe zu Pjöngjang eine zentrale Vermittlerrolle zu. Andererseits sei das Vertrauensverhältnis zwischen Peking und der nordkoreanischen Führung tief zerrüttet, so der Experte. Deshalb seien auch den unmittelbaren Einwirkungsmöglichkeiten Pekings auf Machthaber Kim Jong-un Grenzen gesetzt.
Zudem habe sich die Politik der US-Regierung gegenüber der Region grundlegend geändert. Der Multilateralismus, der lange Jahre die Politik der US-Regierungen prägte, werde geschwächt, so der Experte. So sei für Japan, das sich von Pjöngjang bedroht fühle, die Allianz mit Amerika zwar weiterhin eine strategische Rückversicherung. Die transpazifische Freihandelszone mit den USA sei aber von Washington infrage gestellt worden.
Russland, dessen Einbindung in die Lösung des Konflikts unabdingbar erscheint, würde wohl gern eine dominantere Rolle spielen, so Hartmann. Doch diese ist nicht realistisch. Nicht zuletzt wegen des massiven Verdachts der Weltgemeinschaft, nach dem das nordkoreanische Atomprogramm ohne die Protektion Russlands – aber auch anderer Akteure wie beispielsweise Pakistans – kaum möglich wäre. Moskau könne daher dem Eindruck kaum entgegenwirken, Russland sei Partei in dem Konflikt. Das ist Deutschland nicht. So die Sichtweise der chinesischen Führung. Und damit ist die Bundesregierung als Krisenvermittler im Nordkorea-Konflikt gefragt.
Pekings Vertrauen bietet Berlin Chancen, deutsche Interessen stärker zur Geltung kommen zu lassen. Im Sinne einer Weltordnung, die auf Einhaltung fester Regeln beruht, wie Deutschland sie anstrebt.
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