Terroristen versuchen, auch an biologische Waffen zu gelangen. Das legen Geheimdienstinformationen nahe. Die Sicherheitsbehörden tun alles, um das zu verhindern. Auch die Bundeswehr ist mit ihren Spezialisten involviert. Afrika sei ein Schwerpunkt des Engagements, sagt Oberstleutnant Kai Hoberg im Interview mit der Redaktion der Bundeswehr. Der Referent für Rüstungskontrollpolitik im BMVgBundesministerium der Verteidigung erklärt, über welche Kompetenzen die Truppe verfügt.
Was bedeutet Biosicherheit?
Das ist ein umfassender Begriff, der sich auf die Beherrschung von Risiken und Gefahren durch gefährliche Biogifte und Krankheitserreger bezieht. Wir versuchen die daraus erwachsenden Gefahren einzudämmen – noch bevor sie Deutschland bedrohen. Insbesondere in den Einsatzgebieten dient die Arbeit für Biosicherheit dem Schutz unserer Soldaten.
Woher stammen die Erreger und Substanzen?
Solche biologischen Toxine und Erreger kommen zum Teil natürlich in der Umwelt vor. Oder sie werden in Forschungslaboren verwendet. Bekannte Beispiele sind der Erreger der Pest oder der von Milzbrand, auch Anthrax genannt. Es gibt natürlich noch mehr, wir sprechen in diesem Zusammenhang vom „Dreckigen Dutzend“ gefährlicher Krankheitserreger, die potenziell auch als biologische Massenvernichtungswaffe eingesetzt werden könnten. Dieses Risiko gilt es unter Kontrolle zu halten.
Worin besteht das Risiko genau?
Ein großes Problem ist die Proliferation, also die Entwicklung und Verbreitung potenziell waffenfähiger Substanzen. Und wir wissen, dass transnational operierende Terrororganisationen nach der Fähigkeit streben, künftig auch biologische Substanzen bei einem Anschlag einsetzen zu können. Deshalb ist die Förderung von Biosicherheit ein integraler Bestandteil deutscher Sicherheitspolitik und beugt solchen Gefahren vor.
Wer trägt in Deutschland dafür die Verantwortung?
Biosicherheit kann nur durch eine umfassende Risikovorsorge erreicht werden. Es gibt also verschiedene staatliche und gesellschaftliche Akteure in Deutschland. Etwa in der Gesundheitspolitik oder im Bereich der Gefahrenabwehr.
Und das Verteidigungsministerium …
… bringt dabei seine militärische Expertise ein. Für uns stehen vor allem wirkungsvolle ABCAtomar, Biologisch, Chemisch-Abwehrmaßnahmen und die Nichtverbreitung der genannten Substanzen im Fokus. Den Rahmen für unsere Arbeit setzt die Biowaffenkonvention von 1971. Dieses Übereinkommen ächtet Biowaffen in ihrer Gesamtheit. Allerdings gibt es noch immer Staaten, die der Konvention nicht beigetreten sind oder sie noch nicht ratifiziert haben. Darunter auch Syrien sowie etliche Staaten in Afrika. Es bleibt also viel zu tun.
Welche Rolle hat die Bundeswehr dabei konkret?
Die Truppe verfügt im Bereich Biosicherheit über enorme Kompetenz, die sich maßgeblich aus dem Auftrag des medizinischen ABCAtomar, Biologisch, Chemisch-Schutzes und der ABCAtomar, Biologisch, Chemisch-Abwehr ergibt. Solche Fähigkeiten werden unter anderem auch dem Generalsekretär der Vereinten Nationen angezeigt. Er kann diese Fähigkeiten anfragen, wenn der Verdacht besteht, dass in einem Staat gegen die Biowaffenkonvention verstoßen oder gar Biowaffen eingesetzt wurden.
Welche Einheiten oder Dienststellen kommen dafür in Frage?
Maßgeblich das Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr in München, das Wehrwissenschaftliche Institut für Schutztechnologien ABCAtomar, Biologisch, Chemisch-Schutz in Munster und auch die Kräfte der ABCAtomar, Biologisch, Chemisch-Abwehrtruppe . Das Zentrum für Verifikationsaufgaben der Bundeswehr in Geilenkirchen ist ferner darauf spezialisiert, die Entwicklungen im Biowaffenübereinkommen militärisch zu bewerten und zu dessen Weiterentwicklung beizutragen.
Welche Projekte gab es in der Vergangenheit?
Auf der strategischen Ebene arbeitet die Bundesregierung daran, das Vertrauen zwischen den Mitgliedstaaten des Biowaffenübereinkommens zu stärken. Das dient besonders der Transparenz in den Forschungsaktivitäten. Denn zu friedlichen Zwecken – etwa zum Schutz vor biologischen Waffen und zur Gesundheitsforschung – darf unter dem Abkommen weiter geforscht werden. Im August 2016 hat die Bundesregierung in einem Modellversuch erstmals alle Vertragsstaaten in das Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr und damit in eine stark gesicherte militärische Forschungseinrichtung eingeladen. Das hat gezeigt, dass Belange der militärischen Sicherheit grundsätzlich mit Transparenz zu vereinbaren sind.
Würden Sie eine Institution hervorheben?
Da wäre sicherlich zunächst das Engagement des Sanitätsdienstes bei der Ebola-Krise in Westafrika 2014/15 zu nennen. Hierbei kam uns zu Gute, dass das Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr mit seiner anerkannten Kompetenz im medizinischen B-Schutz schon zuvor weltweit in Projekte des Deutschen Partnerschaftsprogramms für biologische Sicherheit und Gesundheitssicherstellung eingebunden war. Dieses präventive Engagement der Bundeswehr erwies sich dabei als sehr wertvoll.
Warum ist das besonders wichtig?
Weil beispielsweise auch Ebola ein biowaffenfähiger Erreger ist, dessen verheerende Wirkung und Ausbreitungsrisiken vor zwei Jahren einer breiten Öffentlichkeit vor Augen geführt wurden. Die Bundeswehr ist seither in Afrika stark engagiert, um dort Staaten zu befähigen, künftig auch eigenständig die erforderlichen Maßnahmen für die Biosicherheit zu treffen.
In welchen Staaten sind die Mikrobiologen der Bundeswehr noch aktiv?
Zum Beispiel in Georgien und Kasachstan oder der Ukraine. Daneben gibt es vor allem in Afrika Aktivitäten, etwa in Tansania und in Mali, zukünftig auch in Tunesien. Überall dort vermitteln unsere Spezialisten, wie die Risiken, die von biologischen Erregern ausgehen, erkannt und minimiert werden können.
Die Bundeswehr engagiert sich immer stärker in Mali. Was passiert dort in Sachen Biosicherheit?
Das Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr kooperiert dort im Rahmen der Ertüchtigungsinitiative der Bundesregierung mit der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit. Mali ist gemeinsam mit Burkina Faso, Mauretanien, Niger und Tschad in ein Projekt zu Biosicherheit eingebunden. Diese fünf Staaten sind in der Regionalorganisation „G5-Sahel“ zusammengeschlossen. Und wir helfen mit, in der Region auf Dauer ein Expertennetzwerk zur Diagnosefähigkeit waffenfähiger und letaler Erreger zu etablieren.
Wie muss man sich diese Feldarbeit im Einsatzland vorstellen?
Erkennen, Eindämmen, Vorbeugen. Das ist jetzt natürlich stark verkürzt. Aber im Kern lautet die Frage: Was ist es und was ist es nicht! Die Kameraden und ihre Partner im Ausland müssen also schnell erkennen, welche Erreger für einen Krankheitsausbruch verantwortlich sind, um diese effektiv bekämpfen zu können. Anschließend muss der weiteren Verbreitung und einem möglichen Missbrauch vorgebeugt werden. Dabei ist uns die Förderung der länderübergreifenden Kooperation besonders wichtig.
Worin liegen die Herausforderungen?
Die sind vielfältig. Zunächst sind die Einsatzbedingungen außerhalb Deutschlands in der Regel schwieriger. Das fängt bei Infrastruktur und Hygiene an und setzt sich über Sprachbarrieren und unterschiedliche kulturelle Sichtweisen fort. Und dann ist jeder Fall anders. In Afrika kommen viele verschiedene Erreger vor, die Fieber auslösen können. Das ist nicht automatisch immer Malaria. Es können auch ganz andere gefährliche Bakterien oder Viren im Spiel sein. In dieser Hinsicht können wir ein Stück weit auf die Erfahrungen unserer Partner bauen.
Und das heißt für die lokalen Behörden …
… dass wir Unterstützung in verschiedenen Bereichen anbieten. Nicht nur in der Medizin, sondern auch im Bereich der Verwaltung und der Sicherheitsbehörden, etwa durch Ausbildung und Material. Wir sensibilisieren für Gefahren, die von biologischen Erregern und deren Verbreitung ausgehen. Und wir befähigen dazu, diesen Gefahren schon vor Ort wirksam zu begegnen.
Wie funktioniert das Ganze bis jetzt?
Es ist ein stetiger Prozess. Wir arbeiten daran, regionale und lokale Akteure nachhaltig zur Übernahme von Eigenverantwortung und Sicherheitsvorsorge zu befähigen. Damit tragen wir ganz praktisch dazu bei, die Afrikapolitischen Leitlinien der Bundesregierung umzusetzen. So erhöhen wir auch im Einsatzgebiet der Bundeswehr die Biosicherheit. Dies fördert einerseits die B-Abwehrfähigkeit zum Schutz unserer Soldaten und dient gleichzeitig dem Gesundheitswesen im Land. Parallel wird so auch der Zugang von Terroristen zu solchen Erregern erschwert. Also eine Win-win-Situation für alle Beteiligten. Dies mindert letztlich Risiken durch unkontrollierte Verbreitung und trägt zur Sicherheit Deutschlands bei.
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