Bei der Beschaffung von Gerät und Material gilt für die Bundeswehr das für alle öffentlichen Auftraggeber verbindliche Vergaberecht, das unter anderem auf den Grundsätzen Gleichbehandlung, Wirtschaftlichkeit, Wettbewerb und Transparenz beruht. Bevor es aber zu einer Ausschreibung kommt, müssen in einem ersten Schritt die militärischen Anforderungen definiert werden. Hier spricht man von der Bedarfsermittlung. Diese Anforderungen werden dann in einem Forderungskatalog festgehalten. Dieser Katalog dient anschließend als Grundlage zur Erstellung einer Leistungsbeschreibung, die Basis für das sich anschließende Vergabeverfahren ist. Die Bieter prüfen die Leistungsbeschreibung und geben ein Angebot ab.
Bei der Ausschreibung des Systems Sturmgewehr geht es um einen Vertrag über 250 Millionen Euro für die Herstellung und Lieferung von rund 120.000 Sturmgewehren inklusive Zubehör in einem Zeitraum von sieben Jahren.
Bei der Bedarfsermittlung sind die Erkenntnisse aus den Untersuchungen zum aktuellen Sturmgewehr G36 berücksichtigt worden. Unter anderem zog man Konsequenzen aus Erfahrung mit Präzision und Durchschlagswirkung. Zudem wurden die wesentlichen Aspekte in einer Vergleichserprobung abgeprüft. Damit ist gewährleistet, dass sämtliche Erkenntnisse aus den G36-Untersuchungen in die Forderungen eingeflossen sind und die angebotenen Waffen die Forderungen auch erfüllen.
All dies hat sich in einer Leistungsbeschreibung niedergeschlagen. Dieses Dokument wurde im Online-System TED (Tenders Electronic Daily), der Online-Version des „Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union„ für das europäische öffentliche Auftragswesen, veröffentlicht. Auf Basis dieser öffentlichen Ausschreibung konnte sich dann jedes Unternehmen bewerben.
Vergabeverfahren sind möglichst offen und nicht auf einen Bieterkreis beschränkt durchzuführen, um faire Wettbewerbsbedingungen zu schaffen. Um für ein faires Verfahren mit klaren und transparenten Vorgaben zu sorgen, erhalten alle Bieter die notwendigen Informationen sowie Unterlagen.
Zusammen mit der Leistungsbeschreibung werden den potenziellen Bietern im Rahmen der Angebotsaufforderung auch die Zuschlags- und Ausschlusskriterien mitgeteilt. Um für Transparenz im Vergabeverfahren zu sorgen, werden zudem die Bewertung der einzelnen Forderungen (Gewichtung) und die Bewertungsmethode zur Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes übersandt. Wirtschaftlich bedeutet in diesem Zusammenhang allerdings nicht, dass das günstigste Angebot obsiegt. Neben dem Preis werden auch andere Faktoren wie die Leistung berücksichtigt.
Alle in der Ausschreibung befindlichen Kriterien wurden unter anderem in einer Erprobung geprüft. Jedes Kriterium wurde dann nach einer vorher transparent kommunizierten Gewichtung bewertet und im Rahmen der Gesamtbewertung berücksichtigt. Zusammen mit dem angebotenen Preis führte dies mathematisch nachvollziehbar zu einem Ausschreibungssieger. Die Vergabestelle – in diesem Falle das BAAINBwBundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr – ist für die sachgerechte Auswahlentscheidung unter Berücksichtigung der aufgezeigten Kriterien verantwortlich und vertritt ihre Entscheidungen bei eventuellen Rügen und Klagen der unterlegenen Bieter.
Um an der Vergabe teilnehmen zu können, müssen bei komplexen Projekten alle Wettbewerber vorab ihre Befähigung nachweisen, die vertraglich geforderte Leistung auch wirklich erbringen zu können. Die Leistungsfähigkeit wird anhand von vorab bekannt gegebenen Eignungskriterien (fachliche Qualifikation, sachliche und finanzielle Leistungsfähigkeit) festgestellt. Nach dieser Überprüfung werden geeignete Teilnehmer im Verfahren weiter zugelassen oder mangels Eignung davon ausgeschlossen. Rechtlich dürfen die Eigentümerverhältnisse eines Bieters dabei ausdrücklich keine Rolle spielen. Auch im Ausschreibungsverfahren des Sturmgewehrs wurde nach diesen Prinzipien verfahren.
Geht in einem Ausschreibungsverfahren ein Bieter als Sieger hervor, werden zunächst die unterlegenen Bieter darüber in Kenntnis gesetzt. Der unterlegene Bieter hat dann die Möglichkeit, juristische Schritte, die sich aus dem Vergaberecht ableiten lassen, einzuleiten (siehe Grafik).
Glaubt ein unterlegener Bieter, dass es Anlass zu konkreten vergaberechtlichen Beanstandungen gibt, kann er die Vergabestelle, in unserem Fall die Vergabestelle der Bundeswehr, zur Abhilfe auffordern. Diese Rüge muss innerhalb von zehn Kalendertagen, nachdem der Bieter den Verstoß erkannt hat, beim Auftraggeber eingehen.
Falls der Auftraggeber (hier: die Bundeswehr) einer rechtmäßig begründeten Rüge nicht abhilft, kann der unterlegene Bieter innerhalb einer Ausschlussfrist einen Nachprüfungsantrag an die Vergabekammer des Bundes stellen. Der Antrag muss bei der Vergabekammer innerhalb von 15 Kalendertagen nach Eingang der Mitteilung des Auftraggebers, einer Rüge nicht abhelfen zu wollen, eingehen. Die Vergabekammer trifft und begründet ihre Entscheidung schriftlich innerhalb einer Frist von fünf Wochen ab Eingang des Antrags. Bei besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten kann der Vorsitzende im Ausnahmefall die Frist durch Mitteilung an die Beteiligten um den erforderlichen Zeitraum verlängern. Dieser Zeitraum soll nicht länger als zwei Wochen dauern. (§ 167 GWB)
Sollte auch die Vergabekammer nicht im Sinne des unterlegenen Bieters entscheiden, kann dieser gegen die Entscheidung der Vergabekammer Beschwerde bei dem Beschwerdesenat des zuständigen Oberlandesgerichtes einreichen. Im Falle der Bundeswehr würde der Sachverhalt am Oberlandesgericht in Düsseldorf behandelt. Die Beschwerde ist innerhalb einer Frist von zwei Wochen einzureichen. Gegen die Entscheidung des Oberlandesgerichts ist weiterer Rechtsschutz grundsätzlich nicht möglich.
Je nach Höhe der zu unter Vertrag nehmenden Leistung muss das Parlament der Investition zustimmen. Diese Grenze liegt bei 25 Millionen Euro. Das System Sturmgewehr liegt über dieser Grenze, sodass eine parlamentarische Vorlage erstellt und dem Haushaltsausschuss zur Billigung vorgelegt werden muss. Erst mit dessen Zustimmung kann der Vertrag unterschrieben werden.
Im Projekt System Sturmgewehr soll es einen Rahmenvertrag geben. Durch den Abschluss eines solchen mehrjährigen Vertrags erhält die Bundeswehr mehr Flexibilität in der Abrufgestaltung. Die Bundeswehr wird damit in die Lage versetzt, über den entsprechenden Zeitraum eine große Menge der Waffen abzurufen, ohne die gesamten finanziellen Mittel von vorneherein fest binden zu müssen. Zudem kann flexibel auf sich ändernde Situationen reagiert werden.
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