Die Münchner Sicherheitskonferenz wird 2024 nicht nur vom russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine überschattet – auch jüngste Konflikte weltweit machen sich bemerkbar. Der Vorsitzende der MSCMunich Security Conference, Botschafter Christoph Heusgen, hat in Berlin in seinem Ausblick auf das sicherheitspolitische Treffen noch einmal die Bedeutung von Zusammenhalt und Austausch betont. Das Treffen wird vom 16. bis 18. Februar im Hotel Bayerischer Hof in München stattfinden. Auch Verteidigungsminister Boris Pistorius wird teilnehmen.
Die 60. Münchner Sicherheitskonferenz (MSCMunich Security Conference) ist bereits die zweite seit dem russischen Überfall auf die Ukraine. Doch das ist nicht alles: Immer mehr Konflikte und Spannungen tragen zur Gefährdung der regelbasierten internationalen Ordnung bei und haben das sicherheitspolitische Umfeld Europas grundlegend verändert.
„Ich glaube, Sie stimmen mit mir überein, dass wir heute, in diesem Jahr, so viele Krisen, Konflikte, Herausforderungen haben, wie wir es noch selten – wenn überhaupt – in den letzten 60 Jahren hatten.“ Mit diesen Worten begann Christoph Heusgen seinen Ausblick auf die diesjährige Konferenz in der Berliner Bundespressekonferenz. Das Motto der Münchner Sicherheitskonferenz sei daher aktueller denn je: Frieden durch Dialog.
Seit nunmehr 60 Jahren versuche man, auf der MSCMunich Security Conference die wichtigsten Akteure zusammenzubringen, ihnen die Gelegenheit zu geben, miteinander zu sprechen – auch fern der Öffentlichkeit – und in den Austausch darüber zu gehen, wie man aktuelle Krisen und Konflikte lösen kann. Er verspreche sich ein klares Zeichen aus München: dass die internationale Gemeinschaft zusammenstehe und bei ihrer Unterstützung der Ukraine nicht nachlassen werde.
Die MSCMunich Security Conference verstehe sich als Marktplatz für Ideen und diplomatische Initiativen, so Heusgen. Bei allen Formaten, egal, ob Hauptprogramm oder Nebenevent, liege der Fokus immer auf der Interaktivität. Es gelte stets die „Münchner Regel“: Niemand hält eine Rede und geht. Es wird immer Diskussionen mit allen Sprechenden geben.
Im Fokus der diesjährigen Konferenz werden die großen Konflikte in der Welt stehen. Der brutale Terror der Hamas gegen Israel sowie der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine, der bald in sein drittes Jahr geht. Aber auch die Konflikte am Horn von Afrika, der Hunger in Somalia und im Sudan oder die durch fehlende Staatlichkeit zerstörte Lebensgrundlage der Menschen in Haiti werden in München auf der Agenda stehen.
Eine Lösung all dieser Konflikte, so zeigte sich Heusgen überzeugt, sei nur auf Grundlage der Stärke des Rechtes möglich, der man die längste Friedensperiode in Europa verdanke. Das internationale Recht werde sich daher auch durch die verschiedenen Gesprächsformate ziehen. Es werde ein Podium zu internationalem humanitärem Recht geben und eines zum Thema sexuelle Gewalt in Konflikten. Auch eine Reform des UNUnited Nations-Sicherheitsrates stünde auf der Tagesordnung sowie Themen des erweiterten Sicherheitsbegriffes. Heusgen verwies unter anderem auf die Aspekte Klimasicherheit, Ernährungssicherheit und Künstliche Intelligenz.
Auch klassische Themen wie die europäische Verteidigung, die Zukunft der NATONorth Atlantic Treaty Organization oder die militärische Unterstützung der Ukraine stünden auf dem Programm. Wichtig sei ihm vor allem, dass es bei der MSCMunich Security Conference nicht nur Schwarzmalerei geben werde. Die Panels würden dazu genutzt, Lösungen für die verschiedenen Konflikte und einen Silberstreif am Horizont zu finden.
Unter den mehreren Hundert Teilnehmenden fänden sich 180 hochrangige Regierungsvertreterinnen und -vertreter. Aus der Bundesregierung werden neben Verteidigungsminister Boris Pistorius unter anderem Bundeskanzler Olaf Scholz, Wirtschaftsminister Robert Habeck, Außenministerin Annalena Baerbock und Finanzminister Christian Linder erwartet.
Zugesagt hätten zudem die US-Vizepräsidentin Kamala Harris und US-Außenminister Antony Blinken, der israelische Präsident Jitzchak Herzog, der palästinensische Premierminister Mohammed Schtajjeh sowie der Bürgermeister von Kiew, Vitali Klitschko. Auch EUEuropäische Union-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, NATONorth Atlantic Treaty Organization-Generalsekretär Jens Stoltenberg, UNUnited Nations-Generalsekretär António Guterres, EUEuropäische Union-Außenbeauftragter Josep Borrell, Vertreterinnen und Vertreter von UNUnited Nations-Organisationen sowie acht Friedensnobelpreisträgerinnen und -träger werden erwartet.
Die MSCMunich Security Conference 2024 werde zudem die diverseste Konferenz seit ihrem Bestehen, so Heusgen. Das spiegele sich in dem internationalen Teilnehmerkreis wider. Von 250 Sprechenden werden unter anderem 70 aus dem globalen Süden kommen. Zudem bringt die MSCMunich Security Conference 2024 wieder 50 Prozent Frauen auf die Podien.
Der Ewald-von-Kleist-Gründerpreis, der jedes Jahr bei der Münchner Sicherheitskonferenz verliehen wird, soll in diesem Jahr an die Premierministerin von Barbados, Mia Mottley, und den Klima-Beauftragten der US-Regierung, John Kerry, gehen. Beide werden für ihre Bemühungen im Kampf gegen den Klimawandel und dessen sicherheitspolitische Konsequenzen ausgezeichnet. Die MSCMunich Security Conference widmet dem Thema damit besondere Aufmerksamkeit.
Der Forschungsdirektor der Münchner Sicherheitskonferenz, Tobias Bunde, stellte im Anschluss an Heusgens Ausblick den Münchner Sicherheitsreport 2024 vor. Neben Analysen und Hintergründen zu aktuellen Konflikten wirft der Report auch einen Blick auf bestimmte Regionen und Themenfelder. Er ist eine jährliche geopolitische Bestandsaufnahme, beschreibt sicherheitspolitische Trends und legt damit auch die Grundlage für die Debatten in München.
Stelle man sich die Vorteile der internationalen Ordnung als Kuchen vor, könnte man sagen, dass sich immer weniger um den Kuchen als Ganzes kümmerten, so Bunde. Vielmehr seien sie mit der Sorge um den eigenen Anteil beschäftigt. Die westlichen Länder fürchteten, dass dieser immer kleiner werde. Autokraten sähen die Gelegenheit, das eigene Stück zu vergrößern. In weiten Teilen der Welt, vor allem im globalen Süden, habe man nicht das Gefühl, überhaupt etwas vom Kuchen abzubekommen. Daher fühle man sich auch nicht verantwortlich dafür, den Kuchen zu verteidigen. All das schlage sich in den Zahlen und Daten des diesjährigen Münchner Sicherheitsreports nieder.
Am Ende ginge es nur noch darum, wer weniger verliert, prognostiziert Bunde. Regionale Krisen und Konflikte würden immer stärker von dieser „Null-Summen-Dynamik“ geprägt. Das gelte nicht nur für Osteuropa und die Indo-Pazifik-Region, sondern auch für den Nahen und Mittleren Osten und die Sahelregion, die vier Regionen, denen der Report jeweils ein eigenes Kapitel widmet. Eine Lösung der Konflikte werde immer schwieriger, weil die Großmächte nicht mehr an einem Strang zögen. Der Kuchen werde potenziell immer kleiner.
Um einer geopolitischen Rezession entgegenzuwirken, müssten internationale Kooperationen dort ausgebaut werden, wo es möglich sei. Es reiche nicht mehr aus, alte Partnerschaften zu pflegen. Man müsse nun an einem größeren Kuchen arbeiten, alte Partnerschaften stärken und neue Partnerschaften aufbauen, so Bunde weiter. Dafür böten die Zimmer, Flure und Ecken des Bayerischen Hofes in München eine passende Gelegenheit.
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