In Washington berieten die Alliierten über die Verteidigung und Abschreckung im Bündnis, sprich den Schutz der Ostflanke, die regionalen Verteidigungspläne, das NATONorth Atlantic Treaty Organization Force Model, die Kommandostruktur der NATONorth Atlantic Treaty Organization, die Verlegefähigkeit in Europa und den gemeinsamen Fähigkeitsaufbau der Verbündeten. Zudem beschlossen sie ein umfassendes Paket für die Ukraine.
„Einst zur Wahrung des Friedens gegründet, bleibt die NATONorth Atlantic Treaty Organization das stärkste Bündnis der Geschichte. Wir stehen angesichts eines brutalen Angriffskriegs auf dem europäischen Kontinent zu einer für unsere Sicherheit kritischen Zeit geeint und solidarisch zueinander.“ So heißt es in der offiziellen Gipfelerklärung der Mitgliedstaaten aus Washington.
Auf dem Jubiläumsgipfel vom 9. bis 11. Juli 2024 – das Bündnis besteht seit 75 Jahren – knüpften die NATONorth Atlantic Treaty Organization-Partner an die Beschlüsse von Vilnius und Madrid an, wo die Allianz den strategischen und operativen Rahmen vorgegeben hatte, um sich gegen die wachsende Bedrohung durch Russland zu wappnen. In Washington ging es nun darum, diesen Rahmen mit Kräften, Fähigkeiten und Strukturen zu füllen. Verteidigungsminister Boris Pistorius hob dabei vier Punkte hervor:
„Wir Europäer übernehmen Verantwortung für Sicherheit und Verteidigung in Europa“, betonte Pistorius in Washington. Das sei auch den substanziellen Beiträgen Deutschlands zu verdanken.
Als größter Volkswirtschaft und größtem NATONorth Atlantic Treaty Organization-Alliierten in Europa sowie aufgrund seiner geografischen Lage kommt Deutschland innerhalb der Allianz eine besondere Rolle zu. Mit der Brigade Litauen, dem Multinationalen Korps Nordost und wechselnden Truppenteilen im Baltikum, der Slowakei sowie Polen ist Deutschland an der Ostflanke präsent und übernimmt in besonderer Weise Führungsverantwortung. Beim Thema Military Mobility spielt Deutschland eine Schlüsselrolle, indem es den Musterkorridor von den Niederlanden bis Polen bildet, durch den NATONorth Atlantic Treaty Organization-Truppen im Ernstfall an die Ostflanke verlegt würden. Pistorius betonte in Washington einmal mehr, Deutschland gehe innerhalb der neuen NATONorth Atlantic Treaty Organization-Strukturen mit seinen Streitkräften „all in“: Das umfasse unter anderem 35.000 Soldatinnen und Soldaten in den beiden höchsten Bereitschaftsstufen und alle verfügbaren Waffensysteme. Die Alliierten haben sich zudem auf den NATONorth Atlantic Treaty Organization Industrial Capacity Expansion Pledge geeinigt. Damit wird eine vertiefte Zusammenarbeit der wehrtechnischen Industrie zwischen den Verbündeten angestoßen.
Bei den Verteidigungsausgaben, so der Minister, werde Deutschland das Zwei-Prozent-Ziel der NATONorth Atlantic Treaty Organization dieses und nächstes Jahr nicht nur erfüllen, sondern sogar überschreiten. Großprojekte wie die Bestellung von Leopard-Kampfpanzern, PatriotPhased Array Tracking Radar to Intercept on Target-Systemen, neuen Fregatten oder Rahmenverträge für Artilleriemunition seien angestoßen und bereits 42 25-Millionen-Euro-Vorlagen für Beschaffungen in der ersten Jahreshälfte 2024 durch den Bundestag bewilligt worden.
In Washington zeichnete Pistorius vier Vereinbarungen mit verschiedenen Bündnispartnern, bei denen es um gemeinsame Beschaffung und einheitliche Standards ging. Die neuen Initiativen unterstreichen Deutschlands Engagement im Bereich der kollektiven Beschaffung und Entwicklung. Mehr gemeinsame Beschaffung und dadurch Kosteneinsparungen, mehr Interoperabilität und mehr Austauschbarkeit der Systeme: Die Entwicklung einer starken Rüstungsindustrie müsse der Kernauftrag für die kommenden Jahre sein, appellierte der Minister und ergänzte: „Wir haben keine zehn Jahre Zeit mehr.“
In Washington haben die Partner erneut ein umfangreiches Unterstützungspaket für die Ukraine geschnürt. Dieses beinhaltet auch die Aufstellung eines eigenen Stabs zur Ukraine-Unterstützung: Des NATONorth Atlantic Treaty Organization-Stabs für Sicherheitsunterstützung und Ausbildung für die Ukraine (NSATUNATO Security Assistance and Training Ukraine). Von dem US-Stützpunkt in Wiesbaden aus sollen künftig Waffenlieferungen und Ausbildungsaktivitäten für die ukrainischen Streitkräfte koordiniert werden. „Ziel ist es, die Sicherheitsunterstützung für die Ukraine auf eine dauerhafte Grundlage zu stellen und somit eine verbesserte, vorhersehbare und kohärente Unterstützung zu gewährleisten“, heißt es in der Gipfelerklärung von Washington. Deutschland beteiligt sich mit einem stellvertretenden Kommandeur und 41 Personen, die bis Ende 2024 ihre Arbeit aufnehmen werden.
Und auch Deutschland selbst werde seine Unterstützung für das vom Krieg geplagte Land fortsetzen, beteuerte Minister Pistorius. Kein Land habe mehr PatriotPhased Array Tracking Radar to Intercept on Target-Systeme in die Ukraine geliefert als Deutschland, das dritte System sei vor wenigen Tagen in der Ukraine angekommen. Auch im Bereich der Luftverteidigung übernehme Deutschland bereits Verantwortung – sei es mit der Führungsrolle innerhalb der Fähigkeitskoalition Luftverteidigung, der Immediate Action on Air Defence, oder der Drohnen-Koalition. In Washington ist auch Italien der Fähigkeitskoalition Luftverteidigung beigetreten.
Am Rande des Gipfels verkündeten die USA gemeinsam mit Deutschland, dass künftig abstandsfähige Präzisionswaffen in Deutschland stationiert werden. Der Minister bezeichnete das Vorhaben in Washington als wichtigen weiteren Schritt für die Sicherheit in Europa. Damit verbunden sei auch die Erwartung, dass Deutschland selbst in die Entwicklung und Beschaffung derartiger Abstandswaffen investiere. „Das ist der Auftrag, der sich daraus auch ableitet, und diese temporäre Stationierung ab nächstes Jahr wird uns genau die Zeit dafür geben, die wir dafür brauchen“, so Pistorius. Es handle sich dabei um eine ernstzunehmende Fähigkeitslücke in Europa. Der Bedarf wurde bereits in der Nationalen Sicherheitsstrategie festgehalten.
75 Jahre NATONorth Atlantic Treaty Organization, so Pistorius in Washington, seien Anlass dazu, die Erfolge des Bündnisses zu würdigen und gleichzeitig Ansporn, sich auf noch bevorstehende Herausforderungen vorzubereiten. „Die NATONorth Atlantic Treaty Organization ist ein starkes militärisches Bündnis, das mit Finnland und Schweden jetzt sogar noch weiter an Kraft gewonnen hat“, so der Minister. Sie sei das Fundament für Freiheit und Sicherheit im euroatlantischen Raum und als solches nicht wegzudenken.
Wir können stolz sein auf dieses Bündnis.Verteidigungsminister Boris Pistorius
Der Gipfel in Washington war auch der letzte Gipfel von Jens Stoltenberg als NATONorth Atlantic Treaty Organization-Generalsekretär. Der nächste Gipfel, der für 2025 in Den Haag geplant ist, wird unter Leitung des Niederländers Mark Rutte stattfinden, der am 1. Oktober dieses Jahres sein neues Amt antritt.
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