„Das Attentat muss erfolgen. Sollte es nicht gelingen, so muss trotzdem in Berlin gehandelt werden.“
Diese Worte Henning von Tresckows klingen heute hier in der Stille von Plötzensee nach. Mutige Menschen haben am 20. Juli 1944 gehandelt. Bis noch wenige Tage vor Kriegsende wurden 89 von Ihnen hier an diesem Ort grausam hingerichtet.
Was war ihr Vergehen? Sie hatten den Aufstand des Gewissens gewagt. Sie hatten gewagt, für das Richtige aufzustehen, obwohl sie wussten, dass das den sicheren Tod bedeuten könnte.
Die Männer und Frauen des 20. Juli 1944 hatten das Gewissen, das uns Menschen tief eingegebene Verständnis von Gut und Böse, von Richtig und Falsch, zur Leitschnur ihres Handelns gemacht.
Die Todesstrafe durch ein verbrecherisches Regime sollte nicht nur diese Menschen vernichten, sondern auch ihre Motive entwerten. Das Regime konnte diese Menschen töten, nicht aber ihre Haltung.
Im Gegenteil: das Gewissen und die Haltung von Claus Schenk Graf von Stauffenberg und den mutigen Männern und Frauen des 20. Juli sind nach dem Krieg für die Bundesrepublik - wenn auch leider mit Verzögerung - sinnstiftend geworden.
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
nach dem Ende des Krieges hat man in Deutschland oft die Frage gestellt, ob es „ein richtiges Leben im Falschen“ geben könne. Aus der Frage allein spricht eine große Verlegenheit angesichts der entsetzlichen Geschichte:
Was hätte ich getan? Was hätte ich getan angesichts der unmenschlichen Diktatur? Was hätte ich getan während der Herrschaft des Terrors? Was hätte ich getan inmitten eines verbrecherischen Krieges? Was hätte ich getan angesichts des Völkermords? Was ist das richtige Leben, wenn alles um einen herum falsch ist?
Stauffenberg und all jene, die hier, im Bendlerblock und an anderer Stelle nach dem Attentat vor 76 Jahren um ihr Leben gebracht wurden, haben sich selbst und uns die Antwort gegeben. Es gab ein richtiges Leben im Falschen. Das Risiko, das mit diesem richtigen Leben verbunden war, war sehr, sehr hoch Nicht nur für sich selbst, sondern auch für die, denen man nahestand, die man liebte. Es konnte in einen grausamen, entwürdigenden Tod führen.
Die Gedenkstätte Plötzensee führt uns das heute vor Augen.
Wie bringt man die Kraft auf, wie hat man den festen Glauben, wie charakterstark muss man sein, um dennoch das richtige Leben zu wagen? Das ist die Frage, die uns weit über das ehrende Gedenken der Verschwörer des 20. Julis hinaus umtreiben muss. Diese Frage führt uns direkt in unsere Gegenwart, für die wir Verantwortung tragen.
Das Grundgesetz, unsere rechtsstaatliche, freiheitliche, demokratische politische Ordnung, gibt uns dafür Orientierung. Die Werte des Grundgesetzes mit Leben zu füllen, sie aktiv zu verteidigen, ihnen praktische Bedeutung zu geben – das müssen wir jeden Tag leisten.
Jeden Tag entscheiden wir uns für das richtige Leben, jeder für sich, in großen wie in kleinen Fragen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
75 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs ist die Bundesrepublik Deutschland nicht nur ein freiheitlich-demokratischer Rechtsstaat. Deutschland hat einen festen Platz in der Staatengemeinschaft und genießt Respekt als Verteidiger des Rechts und des Friedens.
Das Erbe des 20. Juli 1944 ist nicht nur in unsere innere Verfasstheit eingegangen. Es hat uns eine Rückkehr in die Gemeinschaft anderer Staaten ermöglicht und es ist auch Teil der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik geworden. Angesichts der Erfahrungen mit verbrecherischer Politik und Vernichtungskrieg bekennen wir uns in aller Deutlichkeit zu diesem Erbe.
Wir werden niemals vergessen Wir werden immer den Mut haben, Demokratie zu leben. Wir werden das Recht schützen. Wir werden Frieden, Freiheit und Menschlichkeit auch international Kraft verleihen.
Dieses Versprechen erneuern und bekräftigen wir heute, hier und jetzt in Erinnerung an die Frauen und Männern des 20. Juli.
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