Afrikas Staaten sorgen selbst für ihre Sicherheit – diese Vision haben nicht nur Deutschland und Europa, auch in Afrika ist dieser Wunsch groß. Vor allem nach dem Völkermord in Ruanda 1994 war vielen afrikanischen Regierungen klar: Wenn die UNUnited Nations in ähnlichen Notfällen nicht oder zu langsam reagiert, sollen Truppen aus dem Kontinent selbst intervenieren können.
Ehrgeiziges Ziel ist eine stabile Friedens- und Sicherheitsarchitektur mit einer 25.000 Soldaten und Zivilisten umfassenden African Standby Force (ASFAfrican Standby Force). „Dabei sollen 5.000 Truppen aus jeder der fünf Regionen des Kontinents, Nord-, Ost-, West-, Süd- und Zentralafrika kommen“, berichtet Fregattenkapitän Wolf Kinzel von der Stiftung Wissenschaft und Politik. Kinzel forscht seit Jahren zu dem Thema und war bis vergangenen Jahres stellvertretender Militärattaché in Nigeria. „Eine gemeinsame afrikanische Verteidigungs- und Sicherheitspolitik gibt es seit 2002 “, berichtet Kinzel. Grundlagen sind also geschaffen. „Die Afrikanische Union hat sechs Szenarien entwickelt, in denen die ASFAfrican Standby Force eingesetzt werden kann. Sie hat sich sogar zu einer Intervention verpflichtet, um Völkermord zu verhindern, falls die Vereinten Nationen wegen einer Blockade im Sicherheitsrat nicht tätig werden.“ Das Völkerrecht sieht allerdings ein Mandat des Sicherheitsrates vor.
Ein ambitionierter Plan, mit dem die Entwicklung in den Regionen allerdings nicht Schritt halten kann. Nach mehreren Anläufen fand im Oktober 2015 die erste gemeinsame ASFAfrican Standby Force-Übung in Südafrika statt. Wolf Kinzel: „Während es im Westen und Süden schon Einsatztruppen gibt, sind in den anderen Regionen noch gewaltige Anstrengungen nötig.“
Ein langer Prozess - doch der Afrika-Kenner wirbt um Geduld und Verständnis: „Vielen ist die Größe des Kontinents gar nicht bewusst. Afrika ist größer als die USA, China, Indien, Japan und Europa zusammen, Straßen und Bahnverbindungen sind oft in schlechtem Zustand.“ Auch Sprachbarrieren erschweren die Zusammenarbeit. So gebe es allein in Nigeria über 400 anerkannte Sprachen. Dazu seien viele Länder mit teils existenziellen Krisen beschäftigt. Nicht nur der Kampf gegen Terrorismus, Dürren, Hunger, Flüchtlingsströme oder die große Ebola-Epidemie in Westafrika mit 29.000 Infizierten binde Ressourcen.
Um stabile Strukturen aufbauen zu können, ist der Kontinent also weiterhin auf Unterstützung angewiesen. So stammen 70 Prozent des Budgets der Afrikanischen Union von externen Gebern. Deutschland unterstützt zudem einzelne Projekte im Sicherheitsbereich im Rahmen der Ertüchtigungsinitiative.
„Die AUAfrikanische Union ist nach dem Vorbild der EUEuropäische Union aufgestellt, mit einem Sicherheitsrat in Anlehnung an den der Vereinten Nationen“, sagt Fregattenkapitän Kinzel. „Allein aus der schieren Größe ergeben sich große kulturelle und geologische Unterschiede - nicht nur auf dem Kontinent, sondern auch in den einzelnen Ländern. Daraus ergeben sich völlig unterschiedliche Interessen und Herausforderungen. Und auch mit der Abgabe von Souveränität an supranationale Organisationen haben afrikanische Staaten so ihre Probleme.“
Auch die Ausrüstungslage sei Dauerthema: Es fehle an allem, insbesondere an Hubschraubern, Logistikstrukturen, Kommunikations- und ITInformationstechnik-Ausstattung. Doppelmitgliedschaften von Staaten in mehreren Regionalorganisationen binden laut Kinzel Ressourcen. Und Korruption auf allen Ebenen schwäche nicht nur die Leistungsfähigkeit, sondern auch das Vertrauen der Bevölkerung in staatliche Strukturen und deren Sicherheitsapparat.
Doch es gibt Lichtblicke: Als im westafrikanischen Gambia Ex-Präsident Yahya Jammeh im Januar nach einer verlorenen Wahl nicht abtreten wollte, marschierten ECOWASEconomic Community of West African States-Truppen vor den Toren der Hauptstadt auf. Zusammen mit hartnäckigen diplomatischen Verhandlungen bewegte das Jammeh zur Aufgabe.
Bereits 2003 begann die AUAfrikanische Union mit einer Friedenstruppe in Burundi (AMIB), es folgten die AMISAfrican Union Mission in Sudan-Mission in Darfur (jetzt UNAMIDNations-African Union Hybrid Mission in Darfur), AMISOMAfrican Union Mission in Somalia in Somalia und MISCA in der Zentralafrikanischen Republik. Diese Missionen basieren allerdings noch nicht auf dem Konzept einer Bereitschaftstruppe, sondern greifen auf freiwillige Leistungen der truppenstellenden Staaten zurück.
Auf dem Hamburger G20Gruppe der zwanzig wichtigsten Industrie- und Schwellenländer-Gipfel im Juli ist die Zusammenarbeit mit dem Süden auf vielen Ebenen Thema. Der nächste EUEuropäische Union-Afrika-Gipfel tagt im November in der westafrikanischen Republik Côte d‘Ivoire. Sicherheit wird dann wieder ganz oben auf der Agenda stehen.
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