In der bayerischen Landeshauptstadt ist am Sonntag die 55. Münchner Sicherheitskonferenz (MSCMunich Security Conference) zu Ende gegangen. Drei Tage hatten mehr als 600 internationale Entscheidungsträger und hochrangige Vertreter aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft über sicherheitspolitische Themen diskutiert, darunter mehr als 35 Staats- und Regierungschefs sowie rund 50 Außen- und 30 Verteidigungsminister.
Beherrschende Themen der Mammut-Konferenz, die 1963 als deutsch-amerikanische Tagung begonnen hatte, waren die europäische Sicherheit und Verteidigung und der Zustand des transatlantischen Bündnisses in unruhigen Zeiten.
Die Aufkündigung des INFIntermediate Range Nuclear Forces-Vertrags nach dem Bruch durch Russland war dem Elitetreffen dafür ein besorgniserregender Beleg. Orientiert an der Symbolik, nach der die Länder der internationalen Staatengemeinschaft Puzzleteile seien, lautete der Titel: „The Great Puzzle: Who Will Pick Up the Pieces?“
Die Puzzleteile aufzunehmen, neu zu fügen und zu ordnen – dazu bedurfte es vor allem Realismus. Dessen waren sich die hochrangigen Konferenzteilnehmer sehr bewusst. Diesen Realismus legte zum Auftakt der Konferenz Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen an den Tag.
Die Ministerin forderte gemeinsame europäische Richtlinien für Rüstungsexporte. Dabei gehe es darum, eine verlässliche gemeinsame Linie zu entwickeln. Deutschland müsse anerkennen, dass die eigenen Maximalpositionen nicht mehrheitsfähig seien.
Meinungsverschiedenheiten im deutsch-amerikanischen Verhältnis traten offen zutage. In einer leidenschaftlichen Rede warb Bundeskanzlerin Angela Merkel für multilaterale Lösungen für die vielfältigen sicherheitspolitischen Herausforderungen. Dabei verteidigte sie das deutsch-russische Pipelineprojekt Nord Stream 2 und das Festhalten der Europäer am Atomabkommen mit dem Iran.
Deutschland werde alles versuchen, um nach dem Bruch des INFIntermediate Range Nuclear Forces-Vertrags weitere Abrüstungsschritte möglich zu machen, sagte die Bundeskanzlerin. „Blindes Aufrüsten“ könne nicht die Lösung sein. Die europäischen Partner übernähmen mehr Verantwortung für Verteidigung und Sicherheit, komplementär zur NATONorth Atlantic Treaty Organization. Die transatlantische Allianz sei nicht nur das erfolgreichste Verteidigungsbündnis der Geschichte, sondern auch eine Wertegemeinschaft.
Nur wenig später forderte US-Vizepräsident Mike Pence die NATONorth Atlantic Treaty Organization-Verbündeten erneut auf, das Zwei-Prozent-Ziel bis 2024 zu erfüllen. Auf dem NATONorth Atlantic Treaty Organization-Gipfel in Wales im Jahr 2014 hatten sich die Verbündeten verpflichtet, ihre Verteidigungsausgaben innerhalb von zehn Jahren auf zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes zu steigern. „Wir erwarten glaubwürdige Pläne zur Umsetzung dieser Verpflichtung“, sagte Pence.
Darüber hinaus rief der Vizepräsident die Europäer erneut auf, aus dem Atomabkommen mit dem Iran auszusteigen. „Die Europäer dürfen die US-Sanktionen gegen den Iran nicht mehr behindern.“ Die amerikanische Kritik an der deutsch-russischen Erdgaspipeline Nord Stream 2 verband der Stellvertreter von US-Präsident Trump mit der Warnung, dass die USA die Verteidigung des Westens nicht garantieren könnten, wenn sich Bündnispartner vom Osten abhängig machten.
Bereits am ersten Tag der Konferenz hatte Außenminister Heiko Maas in München ein Plädoyer für den Multilateralismus gehalten. Die Europäische Union müsse Partner und Stütze des Multilateralismus sein und zu einer tragenden Säule der internationalen Ordnung werden.
Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen und ihr britischen Amtskollegen Gavin Williamson hatten die Konferenz zuvor eröffnet. Die NATONorth Atlantic Treaty Organization bleibe für Deutschlands Sicherheit die erste Wahl, sagte von der Leyen in ihrer Rede. Die amerikanische Forderung nach einer gerechteren Verteilung der Lasten sei gerechtfertigt. Deutschland habe seine Verteidigungsausgaben seit 2014 um 36 Prozent gesteigert. Und: „Wir halten am Zwei-Prozent-Ziel fest.“
Auch Europa tue mehr: „Wir harmonisieren unsere Planung, Beschaffung und Einsatzfähigkeit“, sagte die Verteidigungsministerin. Diese neuen, gemeinsamen Fähigkeiten seien auch zum Nutzen der NATONorth Atlantic Treaty Organization. Auch Großbritannien werde weiter zur Sicherheit in Europa beitragen, versicherte ihr britischer Amtskollege Williamson. Angesichts zunehmender Bedrohungen sei die NATONorth Atlantic Treaty Organization wichtiger als je zuvor. Das Vereinigte Königreich begrüße die Anstrengungen zur Stärkung der Verteidigungsfähigkeit der EUEuropäische Union. „Fundament unserer Sicherheit muss aber weiterhin die NATONorth Atlantic Treaty Organization sein“, sagte Williamson.
Einigkeit demonstrierte die Allianz beim Thema INFIntermediate Range Nuclear Forces-Vertrag. Am 1. Februar 2019 hatten die USA den Vertrag mit Russland über das Verbot von landgestützten nuklearfähigen Flugkörpern mit einer Reichweite von 500 bis 5.500 Kilometern mit einer Frist von sechs Monaten aufgekündigt. Die Vereinigten Staaten werfen Moskau vor, den Vertrag mit dem neuen Flugkörper SSC-8 verletzt zu haben. Russland bestreitet dies. NATONorth Atlantic Treaty Organization-Generalsekretär Jens Stoltenberg rief Russland auf, zum Abkommen zurückzukehren. „Die Uhr tickt“, so Stoltenberg. Das Bündnis bereite sich aber auch auf eine Zukunft ohne den Vertrag vor. Die NATONorth Atlantic Treaty Organization habe jedoch nicht die Absicht, neue nuklearfähige Waffensysteme zu stationieren.
Inhalte teilen via