Mit großem Engagement haben Deutschland und Frankreich die Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EUEuropäische Union weiterentwickelt. Die Basis dafür ist eine enge Freundschaft beider Länder. Sie ermöglichte auch eine bemerkenswerte Zusammenarbeit der Streitkräfte.
Als Bundeskanzler Konrad Adenauer und Frankreichs Staatspräsident Charles de Gaulle am 22. Januar 1963 im Pariser Élysée-Palast den Vertrag über die deutsch-französische Freundschaft unterzeichnen, lassen beide Länder die alte „Erzfeindschaft“ hinter sich. Bereits im Jahr zuvor haben die beiden Staatsoberhäupter gemeinsam an einem Versöhnungsgottesdienst in der Kathedrale von Reims teilgenommen.
Bis dahin war das deutsch-französische Verhältnis von blutigen Auseinandersetzungen geprägt: von den Befreiungskriegen gegen die napoleonische Besatzung deutscher Gebiete bis 1813 über den Deutsch-Französischen Krieg mit der demütigenden Proklamation der Gründung des deutschen Kaiserreiches 1871 in Versailles bis zu den beiden Weltkriegen. Im Ersten Weltkrieg starben Hunderttausende Soldaten auf beiden Seiten im Grabenkrieg auf den französischen Schlachtfeldern. Vor allem mit Blick auf die deutsche Invasion Frankreichs im Zweiten Weltkrieg und der Verbrechen der deutschen Besatzungsmacht im Land schien eine schnelle Aussöhnung zunächst unvorstellbar.
Aber der Freundschaftsvertrag war die Grundlage für einen Neuanfang des beiderseitigen Verhältnisses. Adenauer und de Gaulle unterzeichneten den Vertrag „in der Überzeugung, dass die Versöhnung zwischen dem deutschen und dem französischen Volk, die eine Jahrhunderte alte Rivalität beendet, ein geschichtliches Ereignis darstellt, das das Verhältnis der beiden Völker zueinander von Grund auf neu gestaltet“, hieß es in der gemeinsamen Erklärung der beiden Staatschefs anlässlich des Vertragsschlusses. Ihnen war klar, „dass die Verstärkung der Zusammenarbeit zwischen den beiden Ländern einen unerlässlichen Schritt auf dem Wege zu dem vereinigten Europa bedeutet“.
Mit dem Élysée-Vertrag haben sich die deutsche und die französische Regierung verpflichtet, sich in der Außen-, Europa- und Verteidigungspolitik sowie in Erziehungs- und Jugendfragen enger abzustimmen. Dazu wurde ein Konsultationsmechanismus festgelegt, der regelmäßige Treffen auf allen politischen Ebenen vorsieht. Ziel des Vertrages ist, in Fragen der Außenpolitik – und damit auch sicherheitspolitisch – „so weit wie möglich zu einer gleichgerichteten Haltung zu gelangen“. Das betrifft laut Vertrag insbesondere die Europapolitik und darüber hinaus auch die Ost-West-Beziehungen sowie die NATONorth Atlantic Treaty Organization und die Vereinten Nationen. Bei der militärischen Kooperation wurden ein verstärkter Personalaustausch zwischen den Streitkräften und intensivere Rüstungskooperation angestrebt.
Gegen Ende des vergangenen Jahrhunderts wurde die Zusammenarbeit immer intensiver. In Ergänzung zum Élysée-Vertrag wurde 2019 der Vertrag von Aachen unterzeichnet. Er sieht in der gemeinsamen Europapolitik eine noch engere Abstimmung für „möglichst viele gemeinsame Standpunkte“. Eine einheitliche Position der EUEuropäische Union in den wichtigen Organen der Vereinten Nationen wird angestrebt und im militärischen Bereich sollen beide Staaten „Europas Leistungsfähigkeit und Kohärenz weiter entwickeln“. Mit dem deutsch-französischen Verteidigungs- und Sicherheitsrat (DFVSRDeutsch-Französischer Verteidigungs- und Sicherheitsrat) existiert bereits seit 1998 ein regelmäßiges Forum zur Koordinierung des gemeinsamen Vorgehens.
Auf dem Gebiet der Strategie und der Taktik bemühen sich die zuständigen Stellen beider Länder, ihre Auffassungen einander anzunähern, um zu gemeinsamen Konzeptionen zu gelangenÉlysée-Vertrag
Auf der Grundlage beider Freundschaftsverträge hat sich eine sehr enge sicherheits- und verteidigungspolitische Zusammenarbeit entwickelt. Ein Meilenstein war die Aufstellung der Deutsch-Französische Brigade 1989. Sie ist ein militärischer Großverband, dessen deutsche und französische Soldatinnen und Soldaten gemeinsam üben, ausbilden und in Einsätze gehen. 2022 wurde im französischen Évreux die deutsch-französische Lufttransportstaffel C-130J in Dienst gestellt.
Auch bei der Rüstung wurden herausragende Kooperationen eingegangen. Gemeinschaftlich mit weiteren Staaten wurde das Transportflugzeug A400M entwickelt und beschafft. Deutschland und Frankreich entwickeln gemeinsam die Eurodrohne und planen darüber hinaus ein neues europäisches Kampfflugzeug (NGWSNext Generation Weapon System/FCASFuture Combat Air System) sowie einen neuen Kampfpanzer (MGCSMain Ground Combat System).
Bei der Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit der Europäischen Union, PESCOPermanent Structured Cooperation, engagieren sich beide Staaten, um EUEuropäische Union-Verteidigungsvorhaben voranzubringen. Der erfolgreiche Prozess der Entwicklung und Verabschiedung des strategischen Kompasses der EUEuropäische Union geht ebenfalls maßgeblich auf das deutsche und französische Engagement in ihren jeweiligen Ratspräsidentschaften 2020 und 2022 zurück.
Beide Länder haben so in den vergangenen Jahrzehnten wesentlich zur Weiterentwicklung der Sicherheits- und Verteidigungspolitik der Europäischen Union beigetragen. Diese Partnerschaft ist ein besonderes Bespiel gelungener länderübergreifender Streitkräftezusammenarbeit. Die deutsch-französische Freundschaft hat die europäische Integration vorangebracht.
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