Am 17. Juni hat die Deutsche Marine die Fregatte „Baden-Württemberg“, das Typschiff der Klasse F125, in die Flotte übernommen. Sie ist Spezialist und Multitalent in einem.
„Dieses Leuchten in den Augen von Thomas Müller, als er 2014 den Weltmeisterpokal in die Höhe gehoben hat – das ist so ganz genau das Gefühl, das heute die Besatzungen F125 hatten, als ich dann tatsächlich sagen konnte: ‚Frau Ministerin, ich melde, Fregatte ‚Baden-Württemberg‘ in Dienst gestellt‘.“ Eine Fußballmetapher wählte der Kommandant und bekennende Werder-Fan Fregattenkapitän Markus Venker, um zu beschreiben, was die Männer und Frauen nicht nur seiner Crew an diesem Tag bewegte.
Für Ursula von der Leyen, Bundesministerin der Verteidigung, war die militärische Zeremonie im Marinestützpunkt Wilhelmshaven ebenfalls bedeutungsschwer. „Es war ein langes Stück Wegstrecke bis zu diesem Tag“, sagte sie in ihrer Ansprache. „Aber das Wichtigste ist: Wir sind endlich hier. Und wir haben das gemeinsam geschafft, Bundeswehr und Industrie, indem wir gute Lösungen gefunden haben.“ Allen Beteiligten am Rüstungsprojekt gelte ihr tiefer Dank.
„Diese F125 hat Ihnen sicher so manches graue Haar beschert, aber jetzt sind wir soweit, dass wir sie in Dienst stellen können“, spielte die Ministerin auf die vergangenen Probleme des Projekts an. „Und graue Haare kann man auch färben.“
Für Entwicklung und Bau der Fregatten hatten sich die ThyssenKrupp Marine Systems und die Friedrich Lürssen Werft zur „Arbeitsgemeinschaft Fregatte 125“ zusammengeschlossen und 2011 die Arbeiten an der „Baden-Württemberg“ begonnen. 2013 wurde sie getauft, ihre Indienststellung war ursprünglich für 2014, später für 2017 vorgesehen gewesen.
In diesem Jahr verweigerte die Bundeswehr allerdings die Annahme des Schiffes von der Industrie. Der Grund: Vor allem für die Hard- und Software im komplexen neuen Führungs-, Waffen- und Einsatzsystem fehlten die Funktionsnachweise. Erst am 30. April dieses Jahres übergab die Arbeitsgemeinschaft das Schiff an die Bundeswehr. Das war zugleich der Beleg für die vertraglich vereinbarten Leistungen der Industrie.
Mit der „Baden-Württemberg“ als erste von vier Fregatten der Klasse F125 verfügt die Marine jetzt über eines der technologisch führenden Kriegsschiffe der Welt. Der von Grund auf neu konzipierte Fregattentyp ist aus den deutschen Einsatzerfahrungen der vergangenen Jahrzehnte entstanden und auf die Gegenwart und der Zukunft von Stabilisierungseinsätzen ausgelegt.
„Die ‚First of class‘ kann sich wahrlich sehen lassen“, so von der Leyen. Solche modernen Schiffe brauche die Marine dringend. „Stabilisierung, Seeraumüberwachung, Ausbildung von Partnern, von der UNIFILUnited Nations Interim Force in Lebanon im Libanon bis zur NATONorth Atlantic Treaty Organization-Aktivität in der Ägäis“, begann die Ministerin das Aufgabenspektrum der neuen Schiffe zu beschreiben. Darüber hinaus zur Landes- und Bündnisverteidigung gehört für von der Leyen auch „hybride Bedrohungen erkennen und abwehren, Nachschubwege auf See mit unseren Bündnispartnern absichern und multinationale Verbände führen – eine ganze Bandbreite an Aufgaben erfordert Schiffe, die ganz viel können. Allrounder wie das Multitalent F125.“
Der Forderung nach weltweiten und langandauernden Einsätzen trägt die Klasse durch neue technische und organisatorische Konzepte Rechnung: Sie ist für eine Intensivnutzung gedacht, das heißt, sie kann mit 10.000 Betriebsstunden bis zu zwei Jahre durchgängig weltweit im Einsatz bleiben. Der Abstand zwischen den Inspektionen für die Schiffe liegt planmäßig bei fünf Jahren und acht Monate. Das sind nahezu einer Verdopplung der Einsatzzeit und eine Vervierfachung der Wartungsintervalle gegenüber den bisherigen Fregatten der Marine.
Darüber machen es die reduzierten Wartungsanforderungen kombiniert mit Automatisierung und Digitalisierung an Bord der Schiffe möglich, die Besatzungsstärke von über 200 bei den Fregatten der Vorgängerklassen auf nun 126 Soldatinnen und Soldaten reduzieren. Mehrere Crews sollen sich dann während eines längeren Einsatzes alle vier Monate ablösen. Auch speziell für dieses Mehrbesatzungskonzept sind die neuen Fregatten von Beginn an geplant worden.
Für die vier Schiffe der Klasse sind deshalb acht Besatzungen vorgesehen. Aufgestellt sind bereits die ersten fünf Crews – Alpha bis Echo –, die sechste Besatzung Foxtrott wird gerade aufgefüllt. „Baden-Württemberg“ wurde mit der Besatzung Alpha unter ihrem Kommandanten Venker in Dienst gestellt.
„Heute läuten wir mit der Indienststellung der ‚Baden-Württemberg‘ eine neue Ära in der Deutschen Marine ein“, so Venker. „Meine Besatzung und ich – wir freuen uns, das stellvertretend für alle Besatzungen durchführen zu können.“ Vor allem die motivierten Crews, der Stab im 4. Fregattengeschwader, die Arbeitsgemeinschaft und das Bundeswehr-Ausrüstungsamt hätten in enger Zusammenarbeit viele Hürden gemeistert. „Unzählige weitere helfende Hände haben dafür gesorgt, dass die erste Fregatte F125 heute an die fahrende Flotte übergeben werden konnte.“
Neben dem Typschiff gehören die Fregatten „Nordrhein-Westfalen“, „Sachsen-Anhalt“ und „Rheinland-Pfalz“ zur Klasse. Bis Anfang 2021 sollen alle vier Schiffe in die Flotte übernommen worden sein.
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Mit der Indienststellung der „Baden-Württemberg“ setzt die Marine die rund einjährige Einsatzprüfung des Schiffes fort, insbesondere in den Prüfabschnitten Intensivnutzbarkeit und Mehrbesatzungskonzept. Erkenntnisse hieraus wird sie bei den später folgenden Schwesterschiffen gleich umsetzen können. Auch kontrolliert das Zentrum Einsatzprüfung der Marine seit der Abnahme von der Industrie, ob das neue Schiff allen operativen Anforderungen, die an die Baden-Württemberg-Klasse gestellt werden, in realistischen Szenarien genügt.
Diese Aufgaben teilt sich die Alpha mit der Besatzung Bravo, die die „Baden-Württemberg“ kommende Woche übernimmt. Sie fährt zunächst die Tiefwassererprobung vor der norwegischen Atlantikküste. Im Herbst geht das Schiff dann zur Ausbildung in den Englischen Kanal, Anfang kommenden Jahres zum ersten Training im deutschen Einsatzausbildungszentrum Schadensabwehr in Neustadt in Holstein.
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