Ich freue mich sehr auf diese Bundeswehrtagung, denn sie ist eine besondere: Für mich sowieso, weil sie meine erste ist. Sie ist aber auch eine besondere, weil sie zu Beginn eines Jahrzehntes steht, in dem viele Weichen gestellt werden. Und deswegen ist diese Bundeswehrtagung auch für uns eine Gelegenheit zur Standortbestimmung und zum Blick nach vorne: Wie machen wir unsere Bundeswehr fit für die Zukunft?
Es ist ein gutes Timing, dass wir uns direkt nach der Klausurtagung der Leitung Mitte Januar und gleich am Anfang des Jahres für zwei Tage zusammensetzen und gemeinsam diskutieren. Denn auf dieses Jahr kommt es an – es ist in vielerlei Hinsicht unser „Jahr Null“.
Der Blick auf das Erreichte zeigt: Die Trendwenden sind erfolgt. Bei Finanzen, Material und Personal ist es in den vergangenen Jahren gelungen, eine neue Richtung einzuschlagen. Nachdem wir über viele Jahre die Bundeswehr zurückgespart haben, ist seit dem Jahr 2014 eine neue Richtung eingeschlagen worden. An diesem Erfolg haben Sie alle hier einen großen Anteil, dafür bedanke ich mich ganz herzlich bei Ihnen.
Aber zur Wahrheit gehört auch: Das reicht noch nicht. Die Trendwenden sind zwar eingeleitet, aber sie sind noch nicht so angekommen wie sie das sein sollten. Es kommt darauf an, die Verbesserungen so zu gestalten, dass sie für alle Soldatinnen und Soldaten spürbarer werden. Wir können uns nicht damit zufriedengeben, in der eingeschlagenen Richtung geduldig weiterzugehen. Dafür sind die Zahlen nicht gut genug – vor allem bei der Materiellen Einsatzbereitschaft, aber auch im Haushaltsvollzug, in der Dienstpostenbesetzung. Das zeigt auch der Bericht des Wehrbeauftragten.
Ich verstehe: Wachstum und Einsatzbereitschaft sind lange Prozesse. Strukturen und Abläufe müssen neu ausgerichtet werden. Wenn man über viele Jahre eingespart hat, ist es vor allem gar nicht so einfach, den Schalter wieder umzulegen. Und Entwicklung und Beschaffung von kompliziertem Gerät erfordert viele Jahre.
Aber wir können unserem Parlament, der Öffentlichkeit und unserer Truppe nicht länger erzählen: Alles läuft, nur Geduld. Wir müssen stattdessen Ergebnisse vorweisen. Handfeste, messbare, spürbare Verbesserungen erzielen. Das nicht aus Selbstzweck, sondern für eine einsatzfähige Bundeswehr.
Wir brauchen diese klaren Verbesserungen aber auch, weil uns sonst die politische Unterstützung versiegt, die wir für unsere Modernisierung brauchen. Deswegen müssen wir schon in der Kurzfrist Ergebnisse liefern und noch in diesem Jahr die Einsatzbereitschaft erhöhen.
Das heißt: Wir laufen einen Marathon, aber wir müssen gleich zu Beginn das Tempo hochhalten. Es geht auf Strecke und auf Zeit. Und dafür soll heute der Startschuss fallen! Wir werden in wenigen Tagen eine „Initiative Einsatzbereitschaft“ auflegen, die derzeit finalisiert wird. Da geht es um eine Reihe konkreter Maßnahmen.
Ich weiß, dass wir in der Vergangenheit schon eine Reihe an Ansätzen versucht haben, um die Materielle Einsatzbereitschaft zu verbessern. Da mangelte es nicht an Willen, wir haben die unterschiedlichste Methoden und Herangehensweisen probiert: Mit Unterstützung von externem Sachverstand, mit großen Ankündigungen, mit Ansagen der Leitung. Aber wenn wir die Ergebnisse anschauen, dann haben all diese Methoden nicht zu den Ergebnissen geführt, die wir uns wünschen.
Deshalb haben wir bei der Leitungsklausur einen anderen Weg eingeschlagen: Es geht bei der „Initiative Einsatzbereitschaft“ um eine Reihe konkreter Maßnahmen, die von Inspekteuren, den Abteilungsleitungen und den Präsidentinnen und Präsidenten der Ämter selbst vorgeschlagen worden sind.
Das sind Ihre guten Ideen – nicht die von Anderen außerhalb der Bundeswehr. Es ist Ihr Programm, für das ich Ihnen die volle politische Rückendeckung gebe. Damit wir gemeinsam unsere Bundeswehr fit machen für die Zukunft.
Bevor ich zu Details komme, ist es aber wichtig, die strategische Lage zu verstehen, in der wir uns befinden und in der sich die Bundeswehr positionieren muss.
Der Jahresbeginn hat gezeigt: Es bleibt ungewiss und gefährlich. Die sicherheitspolitischen Krisen setzen sich fort: Im Iran/Irak, in Syrien, in Mali und der gesamten Sahelregion, in Libyen. Die Risiken und Bedrohungen bleiben weit gefächert: Von Großmacht-Konkurrenz über Terrorismus bis zur Weiterverbreitung von Nuklearwaffen. Klimawandel, Cyberraum, Demographie, all das sind Herausforderungen, mit denen auch wir uns auseinandersetzen müssen.
Und der Blick auf die wichtigsten staatlichen Akteure unterstreicht: Wenn wir Stabilität wollen, dann müssen wir selbst mehr dafür tun, sie zu schaffen.
Das Verhältnis zu Russland ist spannungsgeladen, aber Russland bleibt zwangsläufig auch Teil der Lösung. China ist eine Herausforderung in einer eigenen Gewichtsklasse. Einerseits ist China ein wichtiger Partner, aber andererseits mehren sich die Warnzeichen, nicht nur in der Sicherheitspolitik. Fest steht: Wir setzen uns für eine regelbasierte Ordnung ein, die weltweit gilt – auch im Indo-Pazifik.
Mit Blick auf die Vereinigten Staaten spüren wir im Wahljahr eine zunehmende innenpolitische Konzentration und eine wachsende Unberechenbarkeit. Aber trotzdem möchte ich ganz klar festhalten, dass die Vereinigten Staaten für uns ein unverzichtbarer Freund und Verbündeter sind. Der aber – und das nicht erst seit dieser Administration – aus meiner Sicht auch zurecht darauf hinweist, dass manche Lasten ungerecht verteilt sind.
Aber DEFENDER 2020 unterstreicht: Die USA bleiben engagiert in Europa. Sie erwarten, dass wir mittun. Bei DEFENDER 2020 können und werden wir das beweisen. Die gute Zusammenarbeit zeigt: Die NATONorth Atlantic Treaty Organization bleibt Garantie unserer Sicherheit. Wir stehen fest zu dieser Allianz und wir unterstützen auch ihre strategische Weiterentwicklung – ganz konkret nun mit der Wise Men Group, die auf einen deutschen Vorschlag zurückgeht.
Und ich möchte an dieser Stelle auch ein Wort zur Nuklearen Teilhabe sagen. Ein Thema, das uns in den kommenden Wochen und Monaten beschäftigen wird und vor dem wir nicht zurückscheuen. Deutschland ist und bleibt auf den Nuklearschirm der NATONorth Atlantic Treaty Organization angewiesen – der NATONorth Atlantic Treaty Organization, nicht der Schirm einzelner bilateraler Abmachungen. Und deswegen wird Deutschland weiterhin seinen Beitrag im Rahmen der Nuklearen Teilhabe leisten.
Ich war vor wenigen Tagen in Großbritannien zu Besuch bei meinem Amtskollegen. Insbesondere im bilateralen Verhältnis stellt sich die Frage, wie wir eine neue Partnerschaft nach dem Brexit gestalten können. Hier kommt gerade der Sicherheits- und Verteidigungspolitik eine besondere Verantwortung zu:
Vielleicht ist sie das Politikfeld, in dem wir künftig noch näher zusammenarbeiten werden als vorher. Was wir an Initiativen sehen, ist ermutigend, ob unser Joint Vision Statement 2018, die Roadmap 2019 oder Großbritanniens Engagement im E3-Format.
Und natürlich bleibt unser bedeutendster Partner in der Europäischen Union Frankreich. Frankeich ist außen- und sicherheitspolitisch hoch ambitioniert, aber in der Umsetzung eben auch auf Partner angewiesen – das erzeugt ebenso bei uns einen Handlungsdruck. Frankreich ist unser wichtigster Partner in der Europäischen Union und wir müssen unsere Zusammenarbeit noch weiter stärken.
Darüber dürfen wir nicht vergessen, dass Deutschland in Europa immer auch ein wichtiger Ansprechpartner für die Staaten in Mittel-Osteuropas ist, und wir dürfen sie nicht vernachlässigen! Es sind wichtige Partner, die ich noch in diesem Frühjahr besuchen möchte.
Kurzum: Der Münchner Konsens von 2014 und das Weißbuch 2016 gelten mehr denn je. Deutschland kommt aufgrund seiner Größe, Kraft und geographischen Lage eine besondere Verantwortung zu, die schwankende regelbasierte internationale Ordnung zu festigen. Nicht, weil andere uns dazu auffordern, sondern weil es in unserem Interesse ist.
Zugleich stelle ich fest, dass wir in den Analysen und Absichtserklärungen keinen Nachholfbedarf haben, da sind wir sehr stark. Besser werden müssen wir im tatsächlichen Umsetzung und im Handeln.
Es geht um die Handlungsfähigkeit Deutschlands und Europas Ability to Act. Und auch um den Willen zu handeln. Handlungsfähigkeit setzt immer zwei Komponenten voraus: Dass man es will und dass man es kann. Und für beides müssen wir unseren Beitrag leisten.
Dazu haben wir Initiativen angestoßen, die sich darauf ausrichten. Das Thema Nordsyrien bleibt auf der Tagesordnung. Die Regelung, die wir jetzt haben, kann uns nicht zufrieden stellen. Die Frage, wie wir eine humanitäre Katastrophe vermeiden können, ist noch nicht befriedigend gelöst und bedarf einer internationalen Betrachtung. Deswegen ist es gut, dass wir im E3-Format zusammen mit Präsident Erdogan darüber diskutieren.
Ein anderes Beispiel: der Nationale Sicherheitsrat, sicherlich ein Projekt für die nächste Legislatur. Aber wenn wir uns alleine die letzten Wochen anschauen –die Entwicklungen im Irak, der Ausbruch des Coronavirus – dann zeigt sich: Es wäre gut, ein Gremium zu haben, in dem man in Krisensituationen nicht lange überlegen muss, sondern klare Vorgehensweisen und Abläufe festgelegt und eingeübt sind. In dem man über ein abgestimmtes und gemeinsames Lagebild verfügt. Und – als mögliche dritte Funktion eines solchen Rats – in dem man einer verstärkten strategischen Vorausschau nachgeht. So ein Gremium kann uns nur guttun.
Zum Beispiel in Krisen wie in Mali und der Sahelregion. Im Verteidigungsministerium haben wir die Vorbereitungen dazu getroffen, was unser Beitrag in der Region sein kann. Aber gleichzeitig müssen wir in der Bundesregierung entscheiden, was unser politisches Ziel in der Region ist.
Denn wenn wir Soldatinnen und Soldaten, zivile Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in so eine Krisenregion schicken, dann müssen wir auch der deutschen Bevölkerung erklären, mit welchem Ziel wir das tun, was unsere Idee von einer stabilisierten Sahelregion ist.
Deswegen ist es wichtig, dass wir uns auf Initiative auch des Verteidigungsministeriums im Kabinett zusammengesetzt haben und wir weiter in den kommenden Wochen analysieren wollen, was wir in den vergangenen Jahren geleistet haben und was unsere Vorstellungen für die Zukunft sind. Das ist eine wichtige Positionsbestimmung, die wir auch in der Diskussion mit unseren französischen Freunden und europäischen Initiativen brauchen.
Ich bin überzeugt, dass Deutschland sicherheitspolitisch aktiver werden muss. Das gilt auch für den Beitrag der Bundeswehr. In meiner Rede in München im November habe ich diese Haltung skizziert.
Und damit das funktioniert, müssen wir die Handlungsfähigkeit der Bundeswehr verbessern – und unsere Flanken schützen.
Dazu müssen wir vor allem:
Diese drei Themen sind Schwerpunkte unseres Handelns in diesem Jahr.
Wir alle können mit den absoluten Zahlen der Materiellen Einsatzbereitschaft ebenso wenig zufrieden sein wie mit der Entwicklungslinie. 70% Materielle Einsatzbereitschaft genügt nicht, um mehr Verantwortung zu schultern.
Ich weiß, wie viel Mühe dahintersteckt, angesichts der Jahrzehnte des Mangels auch nur diesen Wert zu halten. Und ich weiß, dass es insbesondere in dieser Zeit schwierig ist. Weil wir auf der einen Seite das Material, das wir haben und das auch schon in die Jahre gekommen ist, im Moment sehr viel stärker nutzen in unseren Einsätzen und einsatzgleichen Verpflichtungen. Und weil auf der anderen Seite das neue Material mit der ein oder anderen Kinderkrankheit behaftet ist.
Deswegen stehen wir vor einer besonderen Herausforderung. Aber wir müssen die begonnenen Veränderungen entschiedener weiterführen – und auch manches neu angehen.
Ich habe es bereits erwähnt: Wir haben auf der Klausurtagung vor zwei Wochen die „Initiative Einsatzbereitschaft“ beschlossen. Sie geht auf die Initiativen der Inspekteure, Abteilungsleiter, Präsidentinnen zurück. Und ich bin froh, dass wir hier eine echte Gemeinschaftsanstrengung vollbringen.
Ich möchte Ihnen einige Beispiele nennen, die weiteren Ausarbeitungen folgen in den kommenden Wochen:
Manches ist in den letzten sechs Monaten auch schon angestoßen worden: das Phasenmodell der Beschaffungs-Organisation oder der Verbleib der HILHeeresinstandsetzungslogistik-Werke in öffentlicher Hand. Dahinter steht der Gedanke, dass wir manches einfach selber können müssen, und es nicht der Industrie oder Externen überlassen.
Die Vorstellung, man könne das Thema Beschaffung und Materialerhalt in der Bundeswehr so organisieren, wie wir das aus der Automobilindustrie im Zuliefererbereich mit „Just-in-Time-Modellen“ haben, hat nicht funktioniert. Deshalb ist es wichtig, dass die Bundeswehr hier eigene Fähigkeiten aufrechterhält. Deshalb stehe ich auch zu der Entscheidung, dass wir die HILHeeresinstandsetzungslogistik-Werke in öffentlicher Hand halten. Das bedeutet aber auch, dass wir sie jetzt zügig in die Lage versetzen, den an sie gerichteten Herausforderungen auch gerecht werden zu können.
Und das bedeutet auch eine klare Ansage gegenüber den Partnern in der Industrie. Ja, wir sind auf diese Partner angewiesen. Aber die Industrie ist auch auf die Bundeswehr angewiesen, denn wir sind als Referenzkunde Türöffner für internationale Geschäfte – das hat sich in der Vergangenheit gezeigt.
Und ich sage offen, dass wenn wir Referenzkunde sind, dann wollen wir auch wie ein Referenzkunde, ein Premiumkunde behandelt werden. Deshalb müssen wir noch einmal Gespräche mit der Industrie darüber führen, ob wir allen unseren Erwartungen wirklich gerecht geworden sind.
Ich werde mangelhaftes Gerät nicht mehr akzeptieren. Ich nehme es lieber auf mich, dem Bundestag zu erklären, warum wir Geld nicht wie veranschlagt ausgegeben haben, als dass ich unsere Truppe mit etwas versorge, was nicht einsatztauglich ist. Wir haben Qualitätsansprüche, und die wollen wir auch durchsetzen.
Die sinnvolle und umfassende Verwendung des Budgets ist von höchster Wichtigkeit. Nur wenn wir das schaffen, wird der Bundestag uns weiter die steigenden Haushalte zuweisen, die wir für unsere Fähigkeiten, für unsere Sicherheit in Deutschland brauchen.
Dazu gehört auch: Manchmal ist es besser, die 80%-Lösung von der Stange zu kaufen, als immer endlos auf die maßgeschneiderte 100%-Lösung zu warten. Da müssen wir uns auch selbst in unseren Anforderungen prüfen und disziplinieren. Auch das ist ein Weg zu einer verbesserten Einsatzbereitschaft.
Zu diesem Zweck werden wir in diesem Jahr sogenannte „Planungskonferenzen“ organisieren. „Planungskonferenzen“, bei denen wir alle, die an einem Projekt beteiligt sind – von der Planung bis zur Nutzung – schon gleich zu Beginn an einen Tisch holen. Wo wir top down bis zu einem bestimmten Zeitpunkt festlegen, welchen Ansprüchen große Beschaffungsprojekte genügen müssen – ohne ausführliche und diffuse Änderung im Nachhinein. Und wo es dann im Anschluss keine Änderungen mehr geben wird, die Projekte verzögern und verteuern. Lieber am Anfang sich mehr Zeit nehmen und alle notwendigen Aspekte beleuchten, um dann gemeinsam an einem Strang zu ziehen.
Fest steht: Die Einsatzbereitschaft ist der Maßstab, an dem wir gemessen werden. Ein weiteres Absinken unter 70% auch in diesem Jahr ist nicht akzeptabel. Im Gegenteil: Ende dieses Jahres müssen wir bei der Materiellen Einsatzbereitschaft besser dastehen als im Bericht 2019.
Und wir müssen Gelegenheiten wie die VJTFVery High Readiness Joint Task Force 2023 nutzen. Beim Zulauf zur VJTFVery High Readiness Joint Task Force , sehen wir, dass wir jetzt schon dabei sind, Prozesse zu verändern, Rahmenverträge anders aufzusetzen. Weil wir wissen, dass wir mit der VJTFVery High Readiness Joint Task Force besondere Herausforderungen zu erfüllen haben.
Was wir nicht wollen, ist, dass die VJTFVery High Readiness Joint Task Force die Ausnahme ist und wenn sie stattgefunden hat, ist alles wieder wie vorher. Die VJTFVery High Readiness Joint Task Force ist die Gelegenheit, um neue und bessere Verfahren einzuüben. Wenn sie sich da bewähren, sollten wir sie auch für die Bundeswehr beibehalten, denn dann sind sie auch tauglich für den Alltag. Deshalb kommt der VJTFVery High Readiness Joint Task Force 2023 eine besondere Bedeutung zu.
Wir machen das alles immer vor dem strategischen Hintergrund der Handlungsfähigkeit, damit wir in unseren Einsätzen und einsatzgleichen Verpflichtungen unseren eigenen Erwartungen, aber auch den Erwartungen unserer Partner und Freunde nachkommen können.
Hier zeigt sich, ob wir Worten Taten folgen lassen. Ob wir in der Lage sind, wirklich solidarisch mit unseren Verbündeten für unsere gemeinsamen Interessen und Werte einzustehen.
Wir brauchen dabei unser Licht nicht unter den Scheffel stellen: Sowohl in der Landesverteidigung und Bundesverteidigung, als auch im Krisenmanagement sind wir engagierte und verlässliche Verbündete:
Schon zum 31. März laufen vier Mandate aus: Sea Guardian, UNMISSUnited Nations Mission in South Sudan, UNAMIDNations-African Union Hybrid Mission in Darfur und Resolute Support. Ich setze mich für die Fortführung aller vier Mandate ein.
Mir ist wichtig, dass wir nicht nur die einzelnen Mandate betrachten, sondern auch die Gesamtheit im Blick behalten: Was ist der rote Faden? Welche Schwerpunkte setzen wir? Welche Mandate müssen wir umgestalten? Welche kommen eventuell hinzu? Was ist politisch durchsetzbar? Was ist militärisch machbar und sinnvoll?
Das zentrale Kriterium dabei ist die sicherheitspolitische Notwendigkeit, nicht die parteipolitische Opportunität. Fest steht: Ich will unsere Soldatinnen und Soldaten nicht unnötigen Risiken aussetzen. Aber wenn nötig, sind sie zum Einsatz bereit, das haben sie in all den Jahren immer und immer wieder bewiesen.
Es braucht also gründliche Abwägung, wo so ein Einsatz notwendig ist. Und wie er ausgestaltet werden muss.
Ich möchte das am Beispiel Libyen deutlich machen. Die Berliner Konferenz war ein großer Erfolg der Bundesregierung und insbesondere der Bundeskanzlerin. Denn es ist gelungen, einen politischen Prozess wieder in Gang zu setzen, der schon am Ende zu sein schien.
Aber wir sehen gerade in den vergangenen Tagen, wie mühsam es ist, diesen politischen Prozess in konkrete Schritte und Aktionen in Libyen umzusetzen. Und deswegen müssen wir den ersten Schritt tun bevor wir über den möglichen fünften und die Konsequenzen für die Bundeswehr nachdenken. Bevor man über Absicherung des Waffenstillstands nachdenkt, braucht es erst einmal den Waffenstillstand. Und erst dann wird sich die Frage stellen, ob und wie wir uns in solchen Einsätzen beteiligen könnten.
Beispiel Irak: Wir bleiben in der Ausbildung und in der Anti-IS„Islamischer Staat“-Koalition engagiert. Die Frage, wie wir das machen, wollen wir am 14. Februar in München erläutern.
Im gemeinsamen Vorsitz mit meinem US-amerikanischen Kollegen Mark Esper werden wir uns dort mit den führende Nationen der OIROperation Inherent Resolve treffen, um uns noch einmal eng abzustimmen, wie wir die nächsten Monate unser Engagement im Irak gestalten können. Und es wird auch um die Frage gehen, ob bei der Bekämpfung des IS„Islamischer Staat“ auch eine stärkere, konsolidierte Rolle der NATONorth Atlantic Treaty Organization wünschenswert und möglich ist. Ein Thema, das wir sicherlich auch in der Innenpolitik zu bearbeiten haben.
Beispiel Sahel: Sie haben sicherlich gelesen, dass unsere französischen Freunde wieder eine große Anzahl an Truppen in die Operation Barkhane schicken. Und wenn Sie die Debatten über weitere, neue Einsätze lesen, muss man kein Prophet sein, um zu wissen, dass die Debatte zur Sahelregion und unsere Rolle, die wir dort spielen sollen, sehr schnell auf uns zu läuft. Und deswegen ist es gut, dass sich die Bundesregierung auf den Weg gemacht hat, hier auch klare politische Positionen zu beziehen.
Ich bin sicher: Angesichts der internationalen Lage werden wir uns auf mehr und forderndere Einsätze einstellen müssen. Zumindest müssen wir uns darauf einstellen, dass von unseren Partnern mehr gefordert wird, als das heute noch der Fall ist.
Mir ist wichtig, dass wir dafür gerüstet sind – eben nicht nur im Sinne von Material und Ausbildung und einer klugen Balance von Kampf- und Unterstützungstruppen. Sondern auch politisch und kommunikativ.
Zum Schluss möchte ich noch ein Thema ansprechen, das mich nicht erst seit meinem ersten Tag im Amt beschäftigt: Die Verankerung unsere Bundeswehr in der Gesellschaft.
Das Thema betrachten wir meist unter dem Aspekt: Anerkennung und Wertschätzung der Leistungen der Soldatinnen und Soldaten in der Öffentlichkeit.
Und da ist in den letzten Monaten einiges gelungen, worauf wir stolz sein können: Zum Beispiel das Bahnfahren in Uniform. Ich darf noch einmal allen Beteiligten meinen ganz herzlichen Dank aussprechen. Heute sehen wir, dass viele der Befürchtungen, dass zum Beispiel Soldatinnen und Soldaten in einer feindlichen Art und Weise angegangen werden, nicht eingetreten sind. Vielmehr hat das Tragen der Uniform Gesprächsbedarf ausgelöst, viele Bürgerinnen und Bürger fragen: Warum hat sich jemand für die Bundeswehr entschieden? Welchem Truppenteil gehört er an? Und immer mehr Bürgerinnen und Bürger bedanken sich für den Dienst der Bundeswehr.
Und es ist uns gelungen – auch da ein herzliches Dankeschön an das Parlament und die Verantwortlichen im Haus – die Invictus Games 2020 nach Deutschland zu holen. Damit räumen wir dem Thema Rehabilitation und Inklusion einen ganz wichtigen Stellenwert ein. Wir bieten Soldatinnen und Soldaten, die im Einsatz oder Zuhause Verletzungen körperlicher oder seelischer Art erlitten haben, einen entsprechenden Raum in unserer Mitte. Denn es geht auch um die Frage, wie gehen wir nach den Einsätzen mit unseren Soldatinnen und Soldaten um.
Wir haben aber auch – ebenso da ein großer Dank an den Bundestag – mit dem Besoldungs-Strukturen-Modernisierungs-Gesetz vieles verändert: Auf Initiative des Bundestags sogar noch mehr als vorgesehen, was dabei hilft, den Soldatenberuf noch attraktiver zu machen. Diese Attraktivität brauchen wir, wenn wir unsere ehrgeizigen Ziele im Personalaufwuchs erreichen wollen.
Und ich darf mich ganz herzlich bedanken für die famose Leistung unserer Luftwaffe bei der Rückführung und Versorgung deutscher Bürgerinnen und Bürger aus Wuhan. Und ich darf in diesen Dank alle einschließen – von der Sanität bis zur Streitkräftebasis. Bedanken möchte ich mich vor allen Dingen auch beim Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr, insbesondere beim Dienstleistungszentrum Zweibrücken, die innerhalb weniger Tage diese gesamte Aufgabe gestemmt haben. Die eben auch deutlich gemacht haben: Es ist auf die Bundeswehr Verlass! Dafür ein herzliches Dankeschön und ein großes Kompliment!
Mir geht es darum, dass wir uns auch innenpolitisch, in unserer Gesellschaft, mit der Frage auseinandersetzen: Welche Rolle spielt eigentlich die Bundeswehr?
Unsere Gesellschaft hat vielfach den Bezug zu Fragen der Sicherheit und Verteidigung verloren. Weil wir uns daran gewöhnt haben, von Freunden umgeben zu sein. Weil wir dem Irrglauben unterlagen, dass das, was um uns herum passiert, nicht so wichtig ist für uns.
Aber wir haben in den letzten Jahren gespürt und gelernt, dass wir damit in Zukunft nicht mehr weiterkommen. Denn das, was um uns herum passiert, was in unmittelbarer Nachbarschaft der Europäischen Union passiert, hat sehr wohl direkte Auswirkungen auf uns.
Deshalb gehört eine verlässliche und belastbare außen- und sicherheitspolitische Doktrin in unsere öffentliche, politische Diskussion. Eine Doktrin – auf Basis unseres Weißbuchs –, die an die Gegebenheiten des Jahres 2020 angepasst ist und auch die Frage aufnimmt, welche Rolle die Bundeswehr in Zukunft spielen soll und muss.
Denn die aktuelle Lageentwicklung zwingt uns immer stärker in diese öffentlichen Grundsatzdebatten. Und da muss unsere Bundeswehr stehen! Muss sichtbar sein! Und sie muss Berücksichtigung finden als ein wesentliches Instrument zum Schutz deutscher Interessen. Als Voraussetzung unserer Bündnisfähigkeit, die existentiell ist für uns.
Aus diesem Grund – und auch ganz persönlich – will ich es nicht zulassen, dass sich ein Zerrbild unserer Bundeswehr unwidersprochen in den Köpfen der Bürgerinnen und Bürger etabliert: Das Zerrbild einer Truppe, in der nichts rollt, schwimmt, fliegt. In der Extremisten Netzwerke bilden. Die Geld sinnlos verpulvert für unkontrollierte Projekte, die zu nichts führen.
Ja, das ist das Bild, mit dem wir an der einen oder anderen Stelle konfrontiert werden. Aber es ist nicht das Bild, das die Realität in der Bundeswehr wiedergibt. Und es ist auch nicht das Bild, das die Männer und Frauen der Bundeswehr verdient haben.
Ja, die Einsatzbereitschaft muss besser werden. Ja, unsere Beschaffung muss besser werden. Und ja, jeder Mensch mit extremistischer Gesinnung hat in der Bundeswehr nichts zu suchen.
Das gelingt aber nur, wenn wir uns gemeinsam dafür ins Zeug legen. Und das betrifft dann auch Sie: All diese Ziele brauchen eine gemeinsame Haltung. Das bedeutet: Beziehen Sie Position, suchen Sie den Austausch. Führen Sie nach innen, geben Sie Ihren Soldatinnen und Soldaten Orientierung. Leben Sie eine Geisteshaltung vor, die nach vorne gerichtet ist – auf Wachstum, Einsatzbereitschaft und mehr Verantwortung auf allen Ebenen.
Für eine Bundeswehr, die aus der Mitte der Gesellschaft kommt und dort verwurzelt ist. Das ist Voraussetzung dafür, dass wir auch in Zukunft den Auftrag unseres Grundgesetzes erfüllen können – dem Frieden in der Welt zu dienen.
Ich weiß, ich könnte noch mehr Themen ansprechen, die auf Ihr Interesse stoßen:
Dazu stehe ich Ihnen auch gerne in der folgenden Fragerunde zur Verfügung. Und ich bin auch morgen vor Ort und höre zu, was auf den Panels gesagt und diskutiert wird.
Zum vorläufigen Schluss nur noch eines: Wir stehen vor großen Aufgaben in einem schwierigen politischen Umfeld. Für mich ist besonders wichtig: dass es auf Teamarbeit ankommt. Es geht nicht um den Erfolg von Abteilungen, Teilstreitkräften oder Ämtern, sondern um die Bundeswehr als Ganzes. Wir sind ein kompliziertes Gebilde, aus vielen Rädern, die ineinandergreifen. Wenn ein Rad nicht richtig greift, leidet das Ganze.
Und deshalb lassen Sie uns heute und morgen offen sprechen: Wo besteht weiterer dringender Handlungsbedarf? Was ist im Zeitrahmen dieser Legislaturperiode erreichbar? Was erfordert langfristigere Bemühungen? Wie genau setzen wir die getroffenen Entscheidungen um?
Wir stehen am Beginn eines neuen Jahrzehnts. Wir müssen uns fragen, wie soll die Welt in 2030 aussehen? Wie müssen wir uns aufstellen, damit wir auch in zehn Jahren da sind, wo wir sein wollen?
Das wird nicht gelingen, wenn wir nur am Gewohnten festhalten. Lassen Sie uns mutig sein! Und lassen Sie uns dabei das ehrliche, offene Wort führen: Ich freue mich nun auf eine lebendige Diskussion.
Herzlichen Dank.
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